Entscheidungsstichwort (Thema)
Näheverhältnis im Sinne § 2271 Abs. 2 BGB
Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an ein im Sinne von § 2271 Abs. 2 BGB bestehendes Näheverhältnis zwischen dem zuerst verstorbenen Ehegatten und einem Verwandten des letztverstorbenen Ehegatten.
Normenkette
BGB § 2271
Verfahrensgang
AG Fritzlar (Beschluss vom 12.10.2015; Aktenzeichen 2 VI 518/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des AG Fritzlar vom 12.10.2015 abgeändert. Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 1).
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 92.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der am ... Juli 2015 verstorbene Erblasser war mit der am ... Dezember 2003 vorverstorbenen A verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos. Der Beteiligte zu 2) ist der Bruder des Erblassers.
Die Eheleute errichteten am 16.4.2001 gemeinsam ein privatschriftliches und vom Nachlassgericht eröffnetes Testament. Hierin heißt es wörtlich:
"Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu Alleinerben unseres Nachlasses ein. Der überlebende Ehegatte ist von gesetzlichen Auflagen und Einschränkungen befreit und kann über das Gesamterbe verfügen."
Im Anschluss an diesen Passus bestimmten die Eheleute den Beteiligten zu 2) als Erben des Längstlebenden. Ferner lobten sie für diesen Fall verschiedene Vermächtnisse aus. So sollte eine Nichte der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers, Frau B, eine mittlerweile verkaufte Wohnung in Stadt1 erhalten. Ein vorverstorbener (Bl. 126 d.A.) Neffe der ebenfalls vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers, Herr B1, sollte ein Ferienhaus mit Grundstück in ... sowie einen PKW erhalten, wobei hinsichtlich des Inhalts des gemeinschaftlichen Testaments im Einzelnen auf Blatt 13 f. d. Testamentsakte verwiesen wird.
Nach dem Tod der Ehefrau und relativ kurze Zeit vor dem eigenen Tod verfasste der Erblasser am 13.5.2015 ein notarielles Testament. Hierin setzte er die Mitglieder der Familie C, seine langjährigen Nachbarn, als Erben zu gleichen Teilen ein. Zudem ordnete er Testamentsvollstreckung an und bestimmte die Beteiligte zu 1) zur Testamentsvollstreckerin. Hinsichtlich des Inhalts des ebenfalls vom Nachlassgericht eröffneten Testaments wird auf Bl. 16 ff. d. Testamentsakte Bezug genommen.
Am 8.7.2015 hat die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zu ihren Gunsten beantragt und sich dabei auf die letztwillige Verfügung des Erblassers vom 13.5.2015 berufen. Dem Antrag ist der Beteiligte zu 2) mit dem Vortrag entgegengetreten, das spätere Testament des Erblassers sei wegen der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vom 16.4.2001 unwirksam.
Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 42 ff. d.A.) die zur Erteilung des beantragten Testamentsvollstreckerzeugnisses erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, die Wirksamkeit des Beschlusses jedoch ausgesetzt und die Erteilung des Zeugnisses bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt. Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt, eine Auslegung des Testaments ergebe, dass die Regelungen für den Fall des Versterbens des Längstlebenden nicht wechselbezüglich seien, weswegen der Erblasser nach dem Tod seiner Ehefrau an einer neuen Verfügung von Todes wegen nicht gehindert gewesen sei. Selbst wenn sich aber eine fehlende Wechselbezüglichkeit nicht feststellen ließe, wäre die Anordnung der Testamentsvollstreckung im späteren Testament wirksam, da die Zweifelsregelung des § 2270 Abs. 2 BGB mangels eines erforderlichen Näheverhältnisses des Beteiligten zu 2) zu der Ehefrau des Erblassers nicht einschlägig sei.
Gegen die ihm mit Verfügung vom 12.10.2015 übersandte Entscheidung hat der Beteiligte zu 2) mit am 11.11.2015 beim Nachlassgericht eingegangenen Schriftsatz befristete Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er sich erneut auf die Wechselbezüglichkeit seiner Einsetzung als Schlusserbe berufen und dabei näher zu dem zwischen ihm und dem Erblasser sowie dessen Ehefrau bestehenden Näheverhältnis vorgetragen. Insoweit wird ergänzend auf die Beschwerdebegründung Bezug genommen (Bl. 55 ff. d.A.).
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern mit Beschluss vom 16.11.2015 (Bl. 61 d.A.) das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A1, D1 und D2 sowie durch die Anhörung des Beteiligten zu 2). Hinsichtlich der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung am 11.3.2016 (Bl. 184 bis 189 d.A.) verwiesen. Im Anschluss hat die Beteiligte zu 1) ihren Antrag mit Schriftsatz vom 8.7.2015 zurückgenommen. Der Beteiligte zu 2) hat der Rücknahme nicht zugestimmt. Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten im Beschwerdeverfahren Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde, über die gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG aufgrund der fehlenden Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur Antragsrücknahme weiterhin zu befinden is...