Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht zur regelmäßigen Beauftragung des ersten Preisträgers bei Vergabe nach Verhandlungsverfahren und vorgeschaltetem Wettbewerb
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verpflichtung der Vergabestelle, nach § 8 Abs. 2 RPW 2013 in der Regel den ersten Preisträger zu beauftragen, muss sich in dem an den Wettbewerb anschließenden Verhandlungsverfahren niederschlagen.
2. Wird in diesem Fall ein Verhandlungsverfahren mit allen Preisträgern durchgeführt, ergibt sich aus der Verpflichtung der Vergabestelle, regelmäßig den ersten Preisträger zu beauftragen, ihre Verpflichtung, diesen Umstand bei der Gewichtung der Auswahlkriterien in geeigneter Weise zu berücksichtigen. 3. Wird dieser Umstand bei Gewichtung der Auswahlkriterien nicht berücksichtigt, verletzt die Vergabestelle die Grenzen des ihr bei Aufstellung der Wertungskriterien zustehenden weiten Ermessensspielraums.
Normenkette
RPW 2013 § 8; VOF § 17
Verfahrensgang
VK Hessen (Beschluss vom 19.01.2017; Aktenzeichen 69d-VK-19/2016) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der Antragsgegner zu 1) und zu 2) sowie der Beigeladenen gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Landes Hessen vom 19.1.2017 - Az.: 69d -VK-19/2016 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsgegner zu 1), zu 2) und die Beigeladene zu je 1/3 zu tragen.
Gründe
I. Die Antragsgegner schrieben mit europaweiter Bekanntmachung vom 31.3.2015 die Vergabe der Objektplanung für Gebäude und Freianlagen des Neubaus eines Feuerwehrhauses mit Trainingszentrum im Wege des Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Wettbewerb nach der VOF öffentlich aus.
Nach der Bekanntmachung war der Wettbewerb als nichtoffener Wettbewerb gemäß der Richtlinie für Planungswettbewerbe in der Form vom 31.1.2013 (RPW 2013) durchzuführen. Die Zahl der Teilnehmer, die durch ein Auswahlgremium auszuwählen waren, sollte auf 20 begrenzt sein. Zudem wurde ein fünfköpfiges Preisgericht bestimmt. In der Bekanntmachung hieß es:
"Bei der Umsetzung des Projekts ist einer der Preisträger, in der Regel der Gewinner, unter Berücksichtigung der Empfehlung des Preisgerichts mit den weiteren Planungsleistungen (...) zu beauftragen, sofern kein wichtiger Grund der Beauftragung entgegensteht. Hierzu wird im Anschluss an die Preisgerichtssitzung gemäß § 9 Abs. 1 RPW 2013 ein Verhandlungsverfahren mit den Preisträgern durchgeführt."
Nach Auswahl der Teilnehmer reichten die Beteiligten ihre Wettbewerbsbeiträge ein. Nach der Sitzung des Preisgerichts am 29.9.2015 (Protokoll Anlage BF 2) wurde die Antragstellerin als Siegerin des Wettbewerbs bestimmt. Der zweite Preis wurde nicht vergeben; der dritte Preis wurde geteilt und u.a. an die Beigeladene vergeben. Sämtliche dieser Entscheidungen ergingen einstimmig. Das Preisgericht sprach hinsichtlich der Beiträge sämtlicher Preisträger jeweils Hinweise und Anmerkungen aus, deren Beachtung es empfahl. Es empfahl zudem, den ersten Preisträger mit den weiteren Planungsleistungen zu beauftragen.
Mit Schreiben vom 27.1.2016 (Anlage BF3) luden die Antragsgegner die drei Preisträger zu Verhandlungsgesprächen ein. In dem Schreiben wurde den Preisträgern die Bewertungsmatrix mitgeteilt. Nach dieser sollten die erzielten Preise im vorangegangenen Wettbewerb dergestalt berücksichtigt werden, dass die Antragstellerin als erste Preisträgerin 30 Punkte, die Beigeladene und die weitere dritte Preisträgerin jeweils 18 Punkte der maximal erreichbaren 100 Punkte erhalten sollten. Für den zweiten Preisträger, den das Preisgericht nicht verliehen hatte, wäre eine Wertung mit 24 Punkten vorgesehen gewesen. Für den folgenden Punkt (Ziff. 4) sollten maximal 22,5 Punkte erreichbar sein:
"4. Darstellung erster Ideen zur baulichen Umsetzung der im Preisgerichtsprotokoll benannten Anmerkungen. Insbesondere ist die Fassadengestaltung hinsichtlich möglicher Alternativen unter Berücksichtigung der Herstellungskosten, der Unterhaltskosten sowie der Nachhaltigkeit zu betrachten. Ergänzend sind das Technikkonzept (Energieversorgung) bei gemeinsamer Nutzung und der zweite bauliche Rettungsweg zu erläutern.".
Für den Punkt (Ziff. 5) sollten maximal 10 Punkte erreichbar sein:
"5. Beurteilung Ihres Entwurfes hinsichtlich der Ausführung des Modules Feuerwache und Trainingszentrum in zwei Bauabschnitten unter Berücksichtigung der Sicherstellung der Funktionalität vor und während der Errichtung des zweiten Bauabschnittes (Trainingszentrum). Darüber hinaus Erläuterung der Mehrkosten für den Fall der Herstellung in zwei Bauabschnitten."
Wegen der weiteren Einzelheiten der Bewertungsmatrix wird auf das vorgelegte Schreiben (Anlage BF3), das insoweit inhaltsgleich an alle Preisträger übersandt wurde, verwiesen.
Nach den Verhandlungsgesprächen am 11.2.2016 führten die Antragsgegner abschließend die jeweilige Gesamtbewertung durch, bei der von 100 möglichen Gesamtpunkten die Beigeladene insgesamt 85,75 Punkte und die Antragstellerin 76,90 Punkte erzielte.
Mit Schreiben vom 17.3.2016 (Anlage Ast 8, Bl. 208 f. Vergabe...