Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässige Herkunftsangaben nach Art. 45 (1) VO (EU) 2019/33 für Schaumwein, der in zwei Schritten in unterschiedlichen Ländern hergestellt wird
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Schaumwein, dessen Trauben in Italien geerntet und auch dort zu Grundwein verarbeitet werden, darf nach Art. 45 (1) Untersatz 1 a) VO (EU) 2019/33 auch dann mit der Angabe "Italien Rosé" oder "Product of Italy" beworben werden, wenn die zweite Gärung (Versetzen des Grundweins mit Likör, Zucker und Hefe) in Spanien stattfindet.
2. In diesem Fall liegt weder eine Irreführung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG noch ein Verstoß gegen Art. 7 (1) a) VO (EG) 1169/2011 (LMIV) vor.
Normenkette
UWG §§ 3a, 5 Abs. 1 Nr. 1; EGV 1169/2011 Art. 7; VO (EU) 2019/33 Art. 45
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Beschluss vom 03.08.2020; Aktenzeichen 12 O 1514/20) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.
Der Gebührenstreitwert für das erstinstanzliche Verfahren und der Beschwerdewert werden auf jeweils 66.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Weinhandels. Die Antragstellerin ist eine große deutsche Weinkellerei, die ihre Produkte insbesondere an den Lebensmitteleinzelhandel liefert. Die Antragsgegnerin vertreibt Schaumweine an den Lebensmitteleinzelhandel und betreibt auch einen Online-Webshop.
Die Antragstellerin nimmt Anstoß daran, dass die Antragsgegnerin in ihrem Online-Webshop den Schaumwein "Freixenet Italian Rosé" angeboten hat, der als "Produkt of Italy" bezeichnet wird. Sie mahnte die Antragsgegnerin deshalb vergeblich ab.
Die Trauben dieses Schaumweines werden in Italien geerntet, wo sie auch zu Wein verarbeitet werden. In einem zweiten Schritt werden diesem "Grundwein" Likör und Zucker sowie Hefe zugesetzt. Dieser als "zweite Gärung" bezeichnete Herstellungsschritt findet in Spanien statt.
Die Antragstellerin ist deshalb der Meinung, die Bewerbung des streitbefangenen Schaumweins mit "Italian Rosé" oder "Product of Italy" sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG irreführend und verstoße gegen Art. 45 (1) Untersatz 1 a) VO (EU) 2019/33 sowie Art. 7 VO (EG) 1169/2011 (künftig nur: LMIV).
Die Antragsgegnerin hat unter dem 27.7.2020 eine Schutzschrift eingereicht, die das Landgericht beigezogen hat.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der auf Unterlassung der beanstandeten Angaben zur Bewerbung des Schaumweins im geschäftlichen Verkehr gerichtet ist, mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss verwiesen.
Hiergegen richtet sich die (sofortige) Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihre Rechtsauffassung weiter vertieft, die Bezeichnung des Schaumweins sei irreführend, weil sie über die geografische Herkunft des Produkts täusche.
II. Die sofortige Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss des Landgerichts ist nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben, da es an einem Verfügungsanspruch fehlt, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat.
1. Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin nicht verlangen, dass diese es unterlässt, den streitbefangenen Schaumwein mit der Angabe "Freixenet Italian Rosé" oder "Product of Italy" in den Verkehr zu bringen oder zu bewerben.
Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1; 3a UWG i.V.m. Art. 45 (1) VO (EU) 2019/33 [dazu nachfolgend a)] noch - unter dem Gesichtspunkt der Irreführung - aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG [dazu nachfolgend b)] oder §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. Art. 7 (1) a) LMIV [dazu nachfolgend c)].
a) Die Antragsgegnerin hat bei den beanstandeten Angaben nicht gegen Art. 45 (1) VO (EU) 2019/33 verstoßen.
Die Angabe der Herkunft ist nach Art. 119 (1) d) VO (EU) 1308/2013 eine obligatorische Pflichtangabe für in der EU vermarkteten oder für die Ausfuhr bestimmten Schaumwein. Nach Art. 45 (1) Untersatz 1 a) VO (EU) 2019/33, der die Pflichtangabe inhaltlich regelt und dem die Qualität einer Markverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG zukommen dürfte, erfolgt die Angabe der Herkunft u.a. durch die Wörter "Wein aus", "erzeugt in", "Erzeugnis aus" oder entsprechende Begriffe, wobei der Name des Mitgliedstaats oder Drittlands hinzugefügt wird, "in dem die Trauben geerntet und zu Wein verarbeitet werden".
Die Trauben für den von der Antragsgegnerin vertriebenen Schaumwein werden unstreitig in Italien geerntet und auch dort zu Wein verarbeitet. Zwar wird dieser in Italien hergestellte Wein - den die Antragsgegnerin als "Grundwein" bezeichnet - sodann in einem zweiten Herstellungsschritt - der sog. zweiten Gärung - in Spanien unter Hinzufügung von Likör, Zucker und Hefe zu Schaumwein veredelt. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Traubenernte und deren Verarbeitung zu Wein in Italien stattgefunden hat, weshalb der Tatbestand des Art. 45 (1) Untersatz 1 a) VO ...