Entscheidungsstichwort (Thema)

Angebotsausschluss weg. vorsätzlich unzutreffender Erklärungen; Begriff des Ausführungszeitraums

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Fall der Eignungsleihe führen auch vorsätzlich falsche Angaben des Nachunternehmers zum Angebotsausschluss nach § 16 Abs. 1 Nr. 1g VOB/A EG, da für die Erklärungen und Nachweise des Nachunternehmers dieselben Anforderungen gelten wie für den Bieter selbst.

2. Der Begriff der Ausführung im Rahmen der Bestimmung des Zeitraums für einzureichende Referenzen ist grds. im tatsächlichen Sinn zu verstehen, d.h. wann die Leistung tatsächlich erbracht wurde, nicht jedoch, wann die Leistung im Sinne der Abnahme als Vertragsgemäß gebilligt wurde.

 

Normenkette

VOB/A EG § 16 Abs. 1 Nr. 1g

 

Verfahrensgang

VK Hessen (Beschluss vom 18.08.2016; Aktenzeichen 69 d VK 05/2016)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 1. Vergabekammer des Landes Hessen vom 18.08.2016, 69d - VK - 05/2016, aufgehoben.

2. Dem Antragsgegner wird untersagt, den Zuschlag in dem Vergabeverfahren "Neubau A-Hallen, Heizungstechnik, Abwasserwärmetauscher", Vergabe-Nr. ..., EU-Verfahren ... auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

3. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht die Angebotswertung unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen zu wiederholen.

4. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin.

5. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

6. Der Beschwerdewert wird auf 19.270 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner schrieb mit Auftragsbekanntmachung vom 11.09.2015 die Vergabe eines Auftrages zur Errichtung eines Abwasserwärmetauschers in der Heizungstechnik für den Neubau der A-Hallen in Stadt1 im offenen Verfahren nach der VOB/A europaweit aus (Bl. 134 ff VKA).

In der Auftragsbekanntmachung heißt es unter

Ziff. III.2.3 Technische Leistungsfähigkeit:

"... Unternehmen, die nicht präqualifiziert sind, haben das den Vergabeunterlagen beiliegenden Formblatt 124 auszufüllen und auf Nachfrage die entsprechenden Unterlagen vorzulegen.

Ergänzend müssen sich Nachweise zu Referenzen auf vergleichbare Leistungen beziehen, siehe auch das den Vergabeunterlagen beigefügte Formblatt "LHW-2-Referenz".

Sowohl Beigeladene als auch Antragstellerin gaben innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot ab. Den Angebotsunterlagen der Beigeladenen, die im Gegensatz zur Antragstellerin nicht präqualifiziert war, lagen u.a. eine Eigenerklärung gem. Formblatt 124, eine Verpflichtungserklärung gem. Formblatt 236 der Firma C GmbH für die Position 1.1.1 "Wärmetauscher", sowie eine mit "Leistungen der Firma B/C" überschriebene Referenzliste bei. Mit der Eigenerklärung erklärte die Beigeladene gem. Formblatt

"dass ich/wir in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren vergleichbare Leistungen ausgeführt habe/haben. Falls mein/unser Angebot in die engere Wahl kommt, werde ich/werden wir drei Referenznachweise aus den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren mit mindestens folgenden Angaben vorlegen:..."

In der Referenzliste waren die drei Projekte "Projekt1", "Projekt2" und "Projekt3" aufgeführt. Unter der Spalte "Projektdaten: Ausführungszeit, Art der Arbeiten/Leistungen, Umfang/Menge..." war jeweils (nur) angegeben: "Abwasserwärmetauscheranlage/Lieferung und Montage, Komplettanlage" (Bl. 523 VA). Im Rahmen der Aufklärungsphase übersandte die Beigeladene noch eine weitere Referenzliste über von ihr allein ausgeführte Projekte, welche unstreitig andere Typen von Wärmeaustauschern betrafen als vorliegend ausgeschrieben.

Im Rahmen der Eignungsprüfung überprüfte der Antragsgegner zunächst drei der Referenzen der Beigeladenen selbst sowie die Referenz "Projekt3" der C GmbH (Vergabevermerk vom 14.1.15, Bl. 766 VA).

Mit Vorabinformationsschreiben vom 14.01.2016 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er beabsichtige, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen (Bl. 156 VKA). Mit Schreiben vom 18.01.2016 rügte die Antragstellerin, dass die Beigeladene nicht über die erforderlichen Kenntnisse, insbesondere nicht über die erforderlichen praktischen Erfahrungen verfüge, weil sie noch keine Abwasserwärmetauschanlagen installiert habe, die mit der ausgeschriebenen Anlage vergleichbar seien. Auch der vorgesehene Nachunternehmer C GmbH habe nicht die erforderliche Eignung, weil die von diesem bislang installierten Anlagen nicht mit der vorliegend vorgesehenen vergleichbar seien (Bl. 157ff. VKA).

Nachdem der Antragsgegner am 20.01.2016 mitgeteilt hatte, dass er der Rüge nicht abhelfen werde, hat die Antragstellerin am 21.01.2016 einen Nachprüfungsantrag gestellt, mit dem sie beantragt hat, dem Antragsgegner den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu untersagen. Die bisher von der Beigeladenen bzw. ihrer Nachunternehmerin C ausgefüh...

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