Entscheidungsstichwort (Thema)
Beratungstätigkeit des Anwalts im Zusammenhang mit Folgen von Trennung und Scheidung als gesonderte Angelegenheiten
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen der Beratungstätigkeit des Rechtsanwaltes im Zusammenhang mit den Folgen von Trennung und Scheidung können mehrere gesondert aus der Staatskasse nach § 44 RVG zu vergütende Angelegenheiten vorliegen. § 16 Nr. 4 RVG ist in diesen Fällen nicht anwendbar (Fortführung Senat, Beschlüsse vom 26.8.2009 - 20 W 254/09 und vom 12.8.2009 - 20 W 197/09).
2. Im Regelfall richtet sich die Abgrenzung der dabei zu vergütenden Angelegenheiten nach typisierten Komplexen (Anschluss an OLG Nürnberg, Beschl. v. 29.3.2011 - 11 WF 1590/10). Dazu gehört der Komplex "finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhaltsansprüche, Güterrecht und Vermögensauseinandersetzung)"; alle innerhalb dieses Komplexes vorgenommenen anwaltlichen Geschäfte sind als eine Angelegenheit zur vergüten.
3. Die Frage. ob bei einer Beratung zu Trennungsunterhalt der Ehefrau sowie zu Kindesunterhalt eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 RVG-VV entsteht, war im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht zu entscheiden.
Normenkette
BeratHiG § 2 Abs. 2, § 6; RVG § 15 Abs. 2, § 16 Nr. 4, § 44
Verfahrensgang
LG Marburg (Beschluss vom 25.06.2013; Aktenzeichen 3 T 123/13) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Das AG hat Frau X (im Folgenden: Rechtssuchende) am 14.12.2012 einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe (Bl. 42 d.A.) für die so bezeichnete Angelegenheit "Trennungsunterhalt" erteilt. Zuvor war der Rechtssuchenden vom AG bereits am 3.12.2012 Beratungshilfe in der Angelegenheit "Kindesunterhalt" für die namentlich bezeichneten zwei Kinder gewährt worden.
Die Rechtssuchende hat sich von der Kostengläubigerin beraten und außergerichtlich vertreten lassen. Die Tätigkeit der Kostengläubigerin umfasste die Bereiche Trennungsunterhalt für die Rechtssuchende und Kindesunterhalt für die beiden Kinder.
Unter dem dortigen Az. 41 II b 707/12 war der Kostengläubigerin vom AG für Tätigkeiten im Rahmen der Angelegenheit Trennungsunterhalt antragsgemäß bereits eine Vergütung i.H.v. 99,96 EUR aus der Staatskasse festgesetzt worden.
Mit Anträgen vom 4.1.2013 (Bl. 3 d.A.) hat die Kostengläubigerin zwei weitere separate Kostenberechnungen über jeweils 99,96 EUR beim AG eingereicht und Festsetzung einer weiteren Vergütung aus der Staatskasse i.H.v. 2 × 99,96 EUR, also insgesamt 199,92 EUR beantragt. Die einzelnen Kostenberechnungen über Beträge von 99,96 EUR setzen sich dabei jeweils wie folgt zusammen:
Geschäftsgebühr
RVG-VV Nr. 2503
70 EUR
Pauschale (Post/Telekommunikation)
RVG-VV Nr. 7002
14 EUR
Summe
84 EUR
Umsatzsteuer auf die Vergütung
15,96 EUR
Summe
99,96 EUR
Der Urkundsbeamte beim AG hat am 12.2.2013 nach Anhörung des Bezirksrevisors beim LG als Vertreter der Landeskasse sowie der Kostengläubigerin die Anträge auf Gewährung einer Vergütung aus der Staatskasse zurückgewiesen. Er hat dazu ausgeführt, dass entsprechend der Stellungnahme des Bezirksrevisors der Rechtsprechung des OLG Nürnberg (Beschluss vom 29.3.2011, MDR 2011, 759) mit den dort gebildeten Komplexen sowie des LG Marburg (Beschluss vom 9.8.2011) zu folgen sei. Der Bezirksrevisor hatte in seiner Stellungnahme vom 23.1.2013 (Bl. 22 d.A.) vorgetragen, dass das OLG Nürnberg die außergerichtliche Vertretung in Scheidungs- und Trennungsfolgesachen in vier Komplexe zusammenfasse, darunter den Komplex "sonstige finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhaltsansprüche, Güterrecht und Vermögensauseinandersetzung)". Die Gegenstände Trennungsunterhalt für die Ehefrau und die Kinder fielen unter den genannten Komplex, so dass nur eine Angelegenheit i.S.v. § 15 RVG vorliege und eine weitere Vergütung nicht festzusetzen sei.
Gegen diese Festsetzung hat die Kostengläubigerin mit beim AG am 20.2.2012 eingegangenem Schriftsatz vom 19.2.2013 (Bl. 15 ff. d.A.) Erinnerung eingelegt.
Mit Beschluss vom 31.5.2013 (Bl. 24 ff. d.A.) hat die Direktorin des AG nach Nichtabhilfeentscheidung des Urkundsbeamten (Bl. 14 Rs. d.A.) die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. In dem ausführlich begründeten Beschluss hat sie u.a. ausgeführt, dass die Kostengläubigerin über die bereits festgesetzte Vergütung hinaus keinen Anspruch auf Festsetzung einer weiteren Vergütung für ihre Tätigkeit aus der Staatskasse habe. Eine Angelegenheit im vergütungsrechtlichen Sinne sei immer dann anzunehmen, wenn der Rechtsanwalt aufgrund eines einheitlichen Auftrages innerhalb des gleichen Rahmens tätig werde und ein innerer Zusammenhang zwischen den Beratungsgegenständen bestehe. Insoweit habe das OLG Nürnberg (Beschluss vom 29.3.2011, MDR 2011, 759 ff.) die außergerichtliche Vertretung in Scheidungs- und Trennungsfolgeangelegenheiten gebührenrechtlich in vier Komplexe zusammengefasst, die als eigenständige Angelegenheiten i.S.d. § 1...