Entscheidungsstichwort (Thema)
Subsidiarität der Bestellung des Jugendamts als Ergänzungspfleger
Leitsatz (amtlich)
Nach § 1791b BGB (über § 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB) darf das Jugendamt nur unter Berücksichtigung des ausdrücklichen Nachrangs der Amtspflegschaft zum Pfleger bestellt werden. Das bedeutet, dass auf das Jugendamt nur dann als Pfleger zurückgegriffen werden darf, wenn eine geeignete Einzelperson nicht gefunden werden kann.
Normenkette
BGB §§ 1638, 1791b, 1909 Abs. 1, § 1915 Abs. 1 S. 1, § 1917 Abs. 1; FamFG § 58
Verfahrensgang
AG Fulda (Beschluss vom 06.03.2012) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Stadt O1 wird der Beschluss des AG Fulda vom 6.3.2012, mit dem das Stadtjugendamt O1 als Ergänzungspfleger für A1 bestellt worden ist, aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, das heißt zur Bestellung eines neuen Ergänzungspflegers, an das AG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates zurückverwiesen.
Gleichzeitig wird im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Abwendung einer Gefahr für das Kind bestimmt, dass das Stadtjugendamt O1 bis zur Bestellung eines neuen Pflegers für A1 Ergänzungspfleger mit dem bisherigen Wirkungskreis bleibt.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; die außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet (§ 81 Abs. 1 FamFG).
Gründe
I. Mit privatschriftlichem Testament vom ... 2008 hatte die am ... 2011 verstorbene Frau A2 verfügt, dass Ihre Enkeltochter, A1, das im Alleineigentum der Erblasserin stehende Hausgrundstück X in O1 erben soll.
A1 ist das einzige Kind der von Frau A2 adoptierten Frau A3 und entstammt deren Ehe mit Herrn A4.
Gleichzeitig hatte Frau A2, die keine weiteren Kinder hat, in dem erwähnten Testament ihre Tochter "wegen groben Undanks enterbt" und erklärt, dass sie das Jugendamt bis zur Volljährigkeit von A1 "bitte", für die Verwaltung des Hausgrundstückes zu sorgen.
Nach dem Tod der Frau A2 bewohnte A1 das Haus allein mit ihrem Vater, da die Mutter die Familie verlassen hatte und sich in ... aufhielt. Seit ... 2012 soll Frau A3 wieder mit in dem Haus wohnen.
Mit Beschluss vom 30.9.2011 (Az. 44 F 238/11 So) hatte das AG Fulda zunächst dem Vater gem. § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB die elterliche Sorge für A1 allein übertragen. Diese Entscheidung änderte der Senat jedoch auf die Beschwerde der Mutter durch Beschluss vom 20.1.2012 (Az. 2 UF 437/11) ab und beließ beiden Eltern nach ihrer entsprechenden übereinstimmenden Erklärung die gemeinsame elterliche Sorge für ihre Tochter, allerdings mit der Maßgabe, dass der Aufenthalt des Kindes in der Obhut des Vaters im Haus X in O1 festgelegt wurde.
Gleichzeitig wurde bestimmt, dass sich die Vermögenssorge gem. § 1638 Abs. 1 BGB nicht auf das Vermögen erstreckt, welches A1 nach dem Tod ihrer Großmutter, Frau A2, von Todes wegen erworben hatte, da die Erblasserin in ihrem Testament ausdrücklich bestimmt hatte, dass die Verwaltung nicht durch die Eltern erfolgen soll. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um das Anwesen X in O1.
Insoweit sollte die Bestellung eines Pflegers (§ 1909 BGB) für das Kind dem AG Fulda vorbehalten bleiben.
Mit Beschluss vom 6.3.2012 bestellte das AG Fulda daraufhin das Stadtjugendamt der Stadt O1 mit dem Wirkungskreis der Verwaltung des Nachlassvermögens der verstorbenen Frau A2 zum Ergänzungspfleger für das Kind.
Gegen diese Entscheidung führt die Stadt O1 Beschwerde, mit der sie die Aufhebung der Bestellung des Jugendamtes zum Pfleger anstrebt.
Diese Beschwerde begründet sie damit, dass das Jugendamt nicht über ausreichend fachkundiges Personal verfüge, um die umfangreiche Haus- und Vermögensverwaltung sachgerecht bewältigen zu können. Im Übrigen komme die Bestellung des Jugendamtes gegenüber der Bestellung einer privaten Einzelperson nur subsidiär in Betracht.
II. Die zulässige Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG der Stadt O1 ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Die testamentarische Bestimmung der Erblasserin ist, auch wenn sie in ihrem Testament lediglich als "Bitte" an das Jugendamt formuliert ist, "für die Verwaltung" des Hauses "zu sorgen", eindeutig als eine Anordnung nach § 1638 BGB dahingehend zu verstehen, dass die Eltern den zugewendeten Vermögensgegenstand nicht verwalten sollen, so dass sich die elterliche Vermögensorge nicht auf dieses Vermögen erstreckt. Dies macht die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderlich.
Zwar wird dem Kind nur ein einzelner Vermögensgegenstand, nämlich das Hausgrundstück, zugewendet, doch ergibt die Auslegung des Testamentes, dass nicht ein Vermächtnis, sondern die Einsetzung als Erbin und zwar als Alleinerbin gewollt ist. Es handelt sich nämlich bei dem Hausgrundstück um das wesentliche Vermögen der Erblasserin (vgl. Palandt/Weidlich BGB, 71. Aufl., § 2087 Rz. 5). Überdies wurde gleichzeitig die vorrangige alleinige gesetzliche Erbin von der Erblasserin "enterbt", so dass bereits aus diesem Grund A1 Alleinerbin geworden ist.
Gleichwohl war die Bestellung des Jugenda...