Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Anspruch auf Beseitigung eines eigenmächtig vorgenommenen Treppenhausanbaus
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2/9 T 669/94) |
AG Königstein (Aktenzeichen 3 UR II 8/94) |
Tenor
Unter Zurückweisung der weiteren Beschwerde im übrigen wird der angefochtene Beschluß insoweit aufgehoben, als durch ihn den Antragsgegnern untersagt wird, eine Doppelgarage im Bereich der mit Sondernutzungsrecht ausgestatteten Grundstücksfläche A, B, C, D des Aufteilungsplanes zu errichten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Erstbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß des Amtsgerichts Königstein vom 10.10.1994 zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten aller Instanzen tragen die Antragsteller 1/6, die Antragsgegner 5/6; außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Wert: 60.000,– DM
Gründe
Die sofortige weitere Beschwerde hat nur zum Teil Erfolg (Antrag Nr. 3); hinsichtlich der Anträge Nr. 1 und 2 ist sie nicht begründet. Verfahrensrechtlich zwingt der Umstand, daß das Landgericht nicht mündlich verhandelt hat (§ 44 I WEG), nicht zu einer Aufhebung und Zurückverweisung. Die in einer mündlichen Verhandlung neben der Sachverhaltsaufklärung anzustrebende vergleichsweise Lösung der Streitfragen hatten die Antragsgegner und die übrigen Beteiligten schon erstinstanzlich ausgeschlagen.
Das Landgericht ist in der Sache zutreffend davon ausgegangen, daß die Antragsgegner mit dem Treppenhausanbau nicht den von den Antragstellern im Kaufvertrag vom 25.3.1983 gebilligten „Windfang” errichtet haben, sondern einen Gebäudeteil, der als bauliche Veränderung (vgl. dazu OLG Frankfurt OLGZ 80, 80) einzustufen ist und daher der Zustimmung aller benachteiligten Wohnungseingentümer bedurft hätte (§ 22 I 1, 2 WEG). Von einem derart massiven Eingriff in das gemeinschaftliche Eigentum, der auch mit dem bestehenden Sondernutzungsrecht nicht gerechtfertigt werden kann (OLG Frankfurt OLGZ 85, 50; Bay ObLG NJW-RR 88, 591), sind auch die Antragsteller nachteilig betroffen, weil diese Baumaßnahme nicht nur zu einer optischen Veränderung der Wohnungseigentumsanlage geführt hat, sondern durch sie auch die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums mit einem Überbau verringert und das Sondereigentum tatsächlich vergrößert worden ist (vgl. für die Unterkellerung einer gemeinschaftlichen Hoffläche den Senatsbeschluß 20 W 598/95 vom 16.4.1996).
Den Antragstellern steht daher, weil Baugenehmigungen die Rechte der Wohnungseigentümer unberührt lassen, ein Beseitigungsanspruch aus den §§ 15 III WEG, 1004 BGB zu. Dem können die Antragsgegner nicht entgegenhalten, die Zustimmung der Antragsteller sei schon deswegen nicht erforderlich gewesen, weil die Antragsgegner schon vor der Veräußerung der Miteigentumsanteile an die Antragsteller am 25.3.1983 den die Antragsteller als Rechtsnachfolger bindenden Beschluß zur baulichen Veränderung gefaßt hätten. Zu diesem Zeitpunkt waren die Antragsgegner teilende Eigentümer und konnten im Hinblick darauf, daß eine Gemeinschaft erst mit der ersten Veräußerung von Miteigentumsanteilen und der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch entsteht (Henkes/Niedenführ/Schulze, WEG, 3. Aufl., § 8 Rn 15), keinen im Sinne des § 22 I WEG bindenden Eigentümerbeschluß fassen.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegner haben die Antragsteller auch den Anbau nicht mit der Folge geduldet, daß das Beseitungsverlangen sich als rechtsmißbräuchlich (§ 242 BGB) darstellen würde. Die in den Akten enthaltene und den Beteiligten bekannte Korrespondenz aus dem Jahr 1993 zeigt, daß sich die Antragsteller von Anfang an gegen das eigenmächtige Vorgehen der Antragsgegner ausgesprochen haben. Auf einen Baustoppantrag (§ 44 III WEG) müssen sich die Antragsteller nicht verweisen lassen. Es kann ihnen auch nicht entgegengehalten werden, daß auch sie bauliche Veränderungen vorgenommen hätten, da es eine gegenseitige „Aufrechnung” baulicher Veränderungen nicht gibt (Bay ObLG NJW-RR 93, 337/338).
Es ist nicht ersichtlich, daß das Landgericht den Kostenaufwand übersehen hätte, den die Beseitigung des Anbaus mit sich bringt. Es ist richtig, daß die Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs dann rechtsmißbräuchlich sein kann, wenn die Beseitigung wegen Unverhältnismäßigkeit unzumutbar ist (Bay ObLG WE 91, 256). Bei der Frage der Unverhältnismäßigkeit sind aber neben den Kosten auch andere Umstände, insbesondere der Grad des Verschuldens der Antragsgegner, zu berücksichtigen (BGHZ 62, 388; NJW 88, 699). Insoweit fällt hier die Eigenmacht der Antragsgegner ganz erheblich ins Gewicht. Ihnen mußte das Risiko bewußt sein, daß sie statt des erlaubten „Windfanges”, und ohne mit den Antragstellern ein Einvernehmen herbeizuführen, ein Gebäude errichten, für dessen Abriß sie – mit der weiteren Beschwerde neu und daher in der Rechtsbeschwerdeinstanz unbeachtlich – Kosten in Höhe von ca. 80.000,– DM veranschlagen. Das Landgericht mußte daher die „Opfergrenze” (vgl. dazu BayObLG WE 91, 256/257) nicht für erreicht ...