Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Verpflichtung des barunterhaltspflichtigen Elternteils zur Minderung berufsbedingter Fahrtkosten durch Wohnsitzverlegung
Leitsatz (amtlich)
Der unterhaltspflichtige Elternteil kann verpflichtet sein, seine berufsbedingten Fahrtkosten durch Verlegung seines Wohnsitzes zu mindern.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Melsungen (Aktenzeichen 52 F 190/08 UK) |
Gründe
Die beabsichtigte Berufung verspricht auch nach dem gem. §§ 114, 119 ZPO anzuwendenden großzügigen Maßstab (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 66. Aufl. 2008, Rz. 80 zu § 114 ZPO) nicht die notwendige Erfolgssaussicht.
Der Beklagte verfolgt mit der beabsichtigten Berufung die Herabsetzung der mit dem Urteil des AG ausgesprochenen Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt für seinen am ... Mai 1998 geborenen Sohn A und seine am ... April 2002 geborene Tochter B. Mit Urteil vom 19.6.2008, auf das zur näheren Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen wird, ist der Beklagte zur Zahlung von Kindesunterhalt i.H.v. 236 EUR monatlich je Kind seit dem Monat Januar 2008 verurteilt worden. Das AG ist dabei davon ausgegangen, dass der Beklagte über monatliche Nettoeinkünfte i.H.v. 1.732,51 EUR verfügt, denen eine Steuerstattung aus beruflichen Werbungskosten in Form von Fahrtkosten i.H.v. monatlich 25,83 EUR hinzuzurechnen sind. Von diesem Einkommen hat das AG Bereinigungspositionen in Abzug gebracht, die die Parteien mit Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung i.H.v. 84 EUR monatlich und Kreditkosten für eine Küche i.H.v. 138,36 EUR monatlich unstreitig gestellt haben. Fahrtkosten hat das AG zugunsten des Beklagten, der nach der Trennung mit seiner neuen, arbeitslosen Lebensgefährtin in O1 lebt, mit 165 EUR nur eingeschränkt berücksichtigt und statt der tatsächlich zu bewältigenden Strecke (33 km) nur 15 km in Ansatz gebracht. Das AG hat zur Begründung ausgeführt, der Beklagte sei zugunsten der Unterhaltsansprüche der minderjährigen Kinder gehalten gewesen, näher an seinen Arbeitsort zu ziehen.
Der Beklagte ist der Meinung, es seien die von ihm angesetzten höheren Fahrtkosten zu berücksichtigen, die sich auf 363 EUR beliefen. Denn er sei nach der Trennung von O2 nach O1 gezogen und habe dadurch die Fahrtstrecke zur Arbeit verkürzt. Da er zu seiner Freundin gezogen sei, könne er sich auch auf schützenswerte Gründe für einen Umzug nach O1 berufen, die unterhaltsrechtlich Berücksichtigung finden müssten. Geldwerte Vorteile durch das Zusammenleben mit seiner Freundin habe er nicht, da diese infolge Arbeitslosigkeit selbst nicht leistungsfähig sei. Er zahle freiwillig 411 EUR für beide Kinder; mehr könne er nicht aufbringen. Außerdem sei zweifelhaft und weiterhin bestritten, dass der Beklagte Fahrtkosten über den in die Versteuerung einbezogenen Werbungskostenpauschbetrag geltend machen könne.
Mit dieser Begründung wird der Beklagte nicht erfolgreich eine Berufung führen können. Im Ergebnis ist das AG zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte monatlich mindestens 236 EUR Unterhalt je Kind schuldet. Selbst wenn nämlich die Steuererstattung nicht als Einkommensbestandteil gewertet wird, ist der Beklagte als hinreichend leistungsfähig zur Zahlung des zugesprochenen Kindesunterhalts zu betrachten.
Zugunsten des Beklagten können die von ihm geltend gemachten Fahrtkosten mit 33 km (einfache Strecke) nicht berücksichtigt werden. Der Beklagte ist im Hinblick auf seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber zwei minderjährigen Kindern aufgrund seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB gehalten, die Fahrtkosten so gering wie möglich zu halten. Er musste daher näher an seinen Arbeitsplatz ziehen, um seine Leistungsfähigkeit so weit wie möglich herzustellen(Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 66. Aufl., Rz. 21 zu § 1603 BGB). Der Umstand, dass der Beklagte immerhin von O2 nach O1 umgesiedelt ist und damit die Fahrtstrecke um 15 km verkürzt hat, entlastet ihn nicht. Denn der Gesamtbetrag der von ihm geltend gemachten Fahrtkosten liegt mit 363 EUR außer Verhältnis zu dem von ihm erzielten bereinigten Nettoeinkommen, das sich unter Vernachlässigung von Steuererstattung und Fahrtkosten auf 1.510,15 EUR beläuft. Der Beklagte kann dem Unterhaltsanspruch der minderjährigen Kinder nicht entgegenhalten, dass er rund ein Viertel seines Lohns für Fahrtkosten aufwendet und deswegen nicht in der Lage ist, den Mindestunterhalt sicherzustellen.
Der Beklagte kann sich auch nicht auf schützenswerte Gründe für einen Umzug nach O1 berufen, die er darin sieht, dass er zu seiner Lebensgefährtin gezogen ist. Grundsätzlich kann ein Umzug zur Lebensgefährtin zwar einen Aspekt darstellen, der zugunsten des Unterhaltsverpflichteten höhere Fahrtkosten rechtfertigt (BGH NJW-RR 1995, 129; OLG Karlsruhe FamRZ 2006, 1147-1148). Bei der notwendigen Gesamtabwägung der Umstände kommt es indes darauf an, ob der Unterhaltsschuldner nach einem solchen Umzug das Existenzminimum der Kinder sic...