Leitsatz (amtlich)

Rechtsschutzbedürfnis für Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters trotz gleichzeitigem Zivilverfahren.

 

Tenor

Für das zwischen den Parteien wegen des Sozietätsvertrages vom 01.08.2008 zu führende schiedsrichterliche Verfahren wird zum Einzelschiedsrichter bestellt:

Rechtsanwalt A

Straße1

Stadt1

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf die Gebührenstufe bis zu EUR 8.000,00 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin macht als Alleinerbin des ehemals mit dem Antragsgegner aufgrund eines Sozietätsvertrages vom 01.08.2008 verbundenen und im Mai 2013 verstorbenen Rechtsanwalts B Ansprüche auf Auszahlung von Überschussanteilen bzw. Kapitalkontenausgleich geltend.

Der verstorbene Rechtsanwalt B hat sich unter anderem mit dem hiesigen Antragsgegner aufgrund eines Sozietätsvertrages vom 01.08.2008 zur gemeinsamen Berufsausübung in einer Kanzlei zusammengeschlossen.

Der Sozietätsvertrag vom 01.08.2008 enthält in § 15 folgende Schiedsklausel:

"Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern und zwischen einem Gesellschafter und der Gesellschaft werden unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges durch einen Schiedsrichter entschieden."

Zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner bestehen seit dem Versterben des Rechtsanwaltes B Streitigkeiten über etwaige Auseinandersetzungsansprüche.

Nachdem der hiesige Antragsgegner eine Streitschlichtung vor der Anwaltskammer ablehnte, klagte die Antragstellerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche vor dem staatlichen Gericht - Landgericht Darmstadt - ein. Der Antragsgegner erhob in dem Verfahren vor dem staatlichen Gericht die Schiedseinrede. Durch Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 27.02.2018 (Az.: ...) wurde die Klage der hiesigen Antragstellerin mit Rücksicht auf die erhobene Einrede des Schiedsvertrages nach § 1032 Abs. 1 ZPO als unzulässig abgewiesen. Die Antragstellerin hat gegen dieses Urteil Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main eingelegt (Az.: ...).

Anschließende Versuche, sich auf die Bestellung eines Schiedsrichters zu einigen, schlugen fehl; die vom Antragsgegner benannten Schiedsrichter lehnte die Antragstellerin ab, die ihrerseits das Ständige Schiedsgericht der Anwaltskammer Frankfurt/Main als Schiedsrichter benannte.

Mit Antragsschrift vom 21.05.2019 hat die Antragstellerin beantragt, für das durchzuführende Schiedsverfahren einen Schiedsrichter zu bestellen.

Der Antragsgegner hat ein Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Antrag in Abrede gestellt, da in dem Verfahren vor dem Landgericht Darmstadt ein Sachurteil ergangen sei und im Falle der Rechtskraft dieses Urteils für ein Schiedsverfahren kein Raum mehr bestehe.

II. Der Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters ist zulässig und begründet.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist gemäß § 1035 Abs. 3 S. 1 ZPO i.V.m. §§ 1062 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 1025 Abs. 3 ZPO für die Entscheidung über

den gestellten Antrag zuständig, da ein Ort für das schiedsrichterliche Verfahren nicht bestimmt ist und die Parteien im Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main wohnhaft bzw. ansässig sind.

Die Voraussetzungen für die Bestellung eines (Einzel-)Schiedsrichters durch das Oberlandesgericht nach § 1035 Abs. 3 ZPO liegen vor. Gegen die Wirksamkeit des Schiedsvertrages, an den die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes gebunden ist, bestehen keine offensichtlichen Bedenken, ohne dass hierüber im Rahmen des vorliegenden Verfahrens eine abschließende Entscheidung zu treffen ist (vgl. dazu Zöller/Geimer, ZPO 32. Auflage 2018, Rdnr. 17 zu § 1035 ZPO).

Nachdem die Parteien eine Vereinbarung über die Bestellung eines Schiedsrichters nicht getroffen haben und sich auch nicht auf eine gemeinsame Bestellung einigen konnten, hat auf Antrag der Antragstellerin das nach § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zuständige Oberlandesgericht den Einzelschiedsrichter zu benennen.

Dem Antrag fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

Nachdem der Antragsgegner im Verfahren vor dem staatlichen Gericht in Darmstadt die Schiedseinrede erhoben und das Landgericht die Klage unter Verweis auf § 1032 Abs. 1 ZPO als unzulässig abgewiesen hat, liegt entgegen der Ansicht des Antragsgegners gerade keine Sachentscheidung über die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche vor und muss die Antragstellerin damit rechnen, im Verfahren vor dem staatlichen Gericht ihre Ansprüche nicht durchsetzen zu können. Die Antragstellerin würde jedoch rechtlos gestellt, wenn ihr einerseits wegen der Einrede des Schiedsvertrages der Rechtsschutz vor den staatlichen Gerichten versagt und zugleich ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Benennung eines Schiedsrichters verneint würde.

Der Senat benennt Rechtsanwalt A, der als Mitglied des ständigen Schiedsgerichts der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main über die notwendige Qualifikation i.S.v. § 1035 Abs. 5 ZPO verfügt, als Einzelschiedsrichter.

Rechtsanwalt A hat gegenüber dem Senat ausdrücklich seine Bereitschaft zur Übern...

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