Leitsatz (amtlich)
Die Beschränkung der Antragsberechtigung zur Vornamensänderung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 TSG auf Deutsche und Personen mit deutschem Personalstatut verstößt gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn ein ausländischer Transsexueller mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland den Antrag stellt, dessen Heimatrecht eine Vornamensänderung nicht zulässt (Vorlage an das BVerfG).
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 15.10.2002; Aktenzeichen 2-9 T 196/02) |
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 44 UR 3 AMB 138/01) |
Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt und die Entscheidung des BVerfG zu der Frage eingeholt:
Ist die Beschränkung der Antragsberechtigung im Verfahren zur Änderung des Vornamens gemäss § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Transsexuellengesetzes (TSG) auf Deutsche bzw. Personen mit deutschem Personalstatut mit Art. 3 Abs. 1 und 3 GG in Fällen vereinbar, in denen ein ausländischer Transsexueller mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland den Änderungsantrag stellt und sein Heimatrecht eine solche Namensänderung nicht vorsieht?
Gründe
I. Der Antragsteller ist äthiopischer Staatsangehöriger. Ausweislich eines vom AG in diesem Verfahren eingeholten fachpsychiatrischen Gutachtens liegt bei dem 1981 in Äthiopien mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen geborenen Antragsteller seit früher Kindheit eine transsexuelle Prägung vor, wonach er sich dem männlichen Geschlecht als zugehörig empfindet. Er reiste im Mai 1996 mit einem drei Jahre jüngeren Bruder in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Nach Erreichen der Volljährigkeit wurde durch mehrere Operationen 1999/2000 medizinisch eine Umwandlung des Antragstellers zum männlichen Geschlecht vollzogen. Nach Rücknahme der Klage auf Anerkennung als Asylberechtigter und Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG wurde das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch rechtskräftiges Urteil des VG Frankfurt/M. v. 6.3.2001 (3 E 30786/97. A (1)) verpflichtet festzustellen, dass in der Person des Antragstellers die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG (Abschiebungshindernis) hinsichtlich Äthiopien vorliegen. Zur Begründung wurde ausgeführt, da der Antragsteller transsexuell sei und sich zur Zeit in einer Geschlechtsumwandlung befinde, gehe dies mit denkbar schwersten und existentiellen psychischen Belastungen einher; wegen der fehlenden Akzeptanz der äthiopischen Gesellschaft ggü. der Erscheinungsform der Transsexualität sei eine Eingliederung in wirtschaftlicher Hinsicht erschwert und unmöglich, eine Existenz zu fristen sowie die wegen des noch nicht abgeschlossenen Prozesses der Geschlechtsumwandlung erforderliche medizinische Unterstützung zu erhalten.
Mit Antrag v. 9.10.2001 begehrte der Antragsteller beim AG - VormG - Frankfurt/M. die Änderung des Vornamens in "A.". Nach Einholung eines fachpsychiatrischen Gutachtens stellte das AG mit Beschluss v. 21.3.2002 fest, dass der Antragsteller antragsbefugt i.S.d. § 1 TSG sei. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei in seinem aufenthaltsrechtlichen Status einem ausländischem Flüchtling i.S.d. § 1 TSG vergleichbar, da er eines besonderen Schutzes an seinem Aufenthaltsort bedürfe. Die Entscheidung über die Vornamensänderung solle nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens getroffen werden.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vertreters des öffentlichen Interesses hob das LG die Entscheidung des AG mit Beschluss v. 15.10.2002 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, wegen fehlender Flüchtlingseigenschaft unterliege das Personalstatut des Antragstellers nach wie vor äthiopischem Recht, da das VG lediglich ein Abschiebungshindernis festgestellt habe. Die Beschränkung der Anwendung des Transsexuellengesetzes auf deutsche Staatsangehörige und Ausländer mit deutschem Personalstatut verstoße nicht gegen das Grundgesetz, weil sie lediglich die deutschen Kollisionsregeln des internationalen Privatrechts wiedergebe.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der weiteren Beschwerde, mit der er im wesentlichen geltend macht, der Anspruch auf Vornamensänderung ergebe sich entweder direkt aus Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG oder aus einer verfassungskonformen Anwendung des § 1 Abs. 1 TSG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG. Es bestehe keine gesetzessystematische Verpflichtung, das TSG an die Kollisionsregeln des EGBGB anzupassen. Durch die medizinisch vollzogene Geschlechtsumwandlung sei ein biologischer Zustand erreicht worden, dem ein juristisches Vollzugsdefizit ggü. stehe. Hieraus ergäben sich für ihn erhebliche Schwierigkeiten, da er psychisch schwer belastet werde und aufgrund des weiblichen Vornamens, der im Widerspruch zum äußeren Erscheinungsbild stehe, daran gehindert werde, eine Lehrstelle zu finden. Soweit das äthiopische Heimatrecht eine Vornamensänderung nicht zulasse, verstoße dies gegen den ordre public i.S.d. Art. 6 S. 2 EGBGB.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses verteidigt den angefochtenen Beschluss des LG.
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