Leitsatz (amtlich)
Die Versendung von rechnungsähnlich gestalteten Angebotsschreiben mit dem Ziel, dem Empfänger vorzutäuschen, dass es sich dabei um die Rechnung für eine zuvor erfolgte Eintragung in ein öffentliches Register handelt, kann eine Täuschungshandlung im Sinne von § 263 StGB darstellen (Änderung der Senatsrechtsprechung im Anschluss an BGH NStZ 01, 430).
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 15.06.2001; Aktenzeichen 92 Js 20791/99) |
Tenor
Das Hauptverfahren wird im Umfang der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main vom 15.06.2001 vor dem Landgericht Frankfurt am Main -29. Strafkammer- eröffnet und die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen.
Die Bestimmung der berufsrichterlichen Besetzung in der Hauptverhandlung ( § 76 Abs. 2 GVG) bleibt der Strafkammer vorbehalten.
Gründe
In der Anklageschrift vom 15.06.2001 wird dem Angeschuldigten R. T. zur Last gelegt, im Rahmen eines Gesamtkonzepts in der Zeit vom 04.01.1998 bis 24.04.2001 in insgesamt 2.600 Fällen durch die Versendung von rechnungsähnlich gestalteten Angebotsschreiben deren Empfängern vorgetäuscht zu haben, dass es sich dabei um die Rechnungen für deren zuvor erfolgte Eintragung in ein öffentliches Register handelte, obwohl die Schreiben tatsächlich nur eine Offerte zur Eintragung in ein von dem Angeschuldigten erstelltes Privatregister enthielten, und die Empfänger dadurch planmäßig zur Zahlung des in den Schreiben angegebenen Betrages veranlasst zu haben.
Den Angeschuldigten E. T. und B. T. wird jeweils vorgeworfen, dem Angeschuldigten R. T. hierzu Hilfe geleistet zu haben, und zwar die Angeschuldigte E. T. in 27 Fällen und der Angeschuldigte B. T. in 10 Fällen jeweils durch die Eröffnung von Konten für die auf Grund der versandten Formulare erwarteten Geldeingänge.
Mit Beschluss vom 05.04.2002 hat die 29. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Es hat die Annahme, in der Versendung der in der Anklageschrift bezeichneten Angebotsschreiben liege eine Täuschungshandlung i.S.d. § 263 StGB, verneint. Nach Ansicht des Landgerichts stellen sich die Schreiben nach der Verkehrsanschauung und dem objektiven Empfängerhorizont trotz ihrer rechnungsähnlichen Gestaltung nicht als Rechnung dar, da sich der Angebotscharakter aus dem Text sowie den auf der Rückseite der Schreiben befindlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen eindeutig ergebe. Dabei stellt das Landgericht darauf ab, dass es sich bei den Adressaten um Kaufleute und damit um im Geschäftsverkehr erfahrene Adressaten handele, deren Aufgabe es sei, Rechnungen hinsichtlich ihrer geschäftlichen Grundlage zu kontrollieren. Der rechnungsähnlichen Gestaltung der Schreiben hat es unter diesen Umständen keinen eigenen, eine Täuschungshandlung begründenden Erklärungswert beigemessen.
Gegen diese Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft am 15.04.02 sofortige Beschwerde eingelegt.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 210 Abs. 2 StPO zulässig und begründet.
Das Hauptverfahren war zu eröffnen, da eine Verurteilung der Angeklagten gemäß § 203 StPO hinreichend wahrscheinlich ist. Der hinreichende Tatverdacht gründet sich auf die in der Anklage genannten Beweismittel.
In der Versendung der hier zu beurteilenden Angebotsschreiben liegt nach Auffassung des Senats in Anlehnung an die Entscheidung des BGH vom 26.04.2001 ( NStZ 2001, 430 ff) auch unter Beachtung der engen Wortlautbindung im Strafrecht eine Täuschungshandlung i.S.d. § 263 StGB.
Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 24.07.2000 -1 Ws 68/00-die Annahme einer Täuschungshandlung durch Versendung von rechnungsähnlich gestalteten Angebotsschreiben mit dem Hinweis, dass der Angebotscharakter bei näherer Betrachtung der Schreiben erkennbar gewesen sei, abgelehnt hatte, hält er an dieser Auffassung in Anbetracht der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht länger fest. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 26.04.2001 die grundsätzliche Möglichkeit einer konkludenten Täuschung durch Zusendung von rechnungsähnlichen Angebotsschreiben ausdrücklich bejaht, wenn der Täter die Eignung einer - inhaltlich richtigen- Erklärung, einen Irrtum hervorzurufen, planmäßig einsetzt und damit unter dem Anschein "äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens" gezielt die Schädigung des Adressaten verfolgt und dabei auch die Fälle eingeschlossen, in denen der Adressat bei sorgfältiger Prüfung den wahren Charakter des Schreibens hätte erkennen können. Dem hat sich der 2. Senat des Oberlandesgerichts Frankfurt angeschlossen und - was der 4. Senat des Bundesgerichtshofs in der vorgenannten Entscheidung im Hinblick auf die frühere Entscheidung des 5. Senats vom 27.02.1979 ( NStZ 1997, 186-187) ausdrücklich offen gelassen hat - eine Täuschung auch dann bejaht, wenn es sich bei den Adressaten der Angebotsschreiben um im Geschäftsverkehr erfahrene Adressaten, insbesondere Kaufleute, handelt. Dieser Auffassung schließt sich der Senat aus den nachfolgenden Erwägung...