Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen der Veröffentlichung von Entscheidungen betreffend die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Rechtspflicht der Gerichtsverwaltungen zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen, die aus dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot und dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgt und die Herausgabe anonymisierter Entscheidungsabschriften an interessierte Dritte umfasst, gilt grundsätzlich auch für Entscheidungen, welche im Insolvenzverfahren ergehen.

2. Vor der Herausgabe der Abschrift einer Vergütungsentscheidung im Insolvenzverfahren an Dritte hat die Gerichtsverwaltung eine Verletzung etwaiger Geheimhaltungsinteressen der Beteiligten wegen der Nichtöffentlichkeit des Insolvenzverfahren nach einem strengen Maßstab zu prüfen; erforderlichenfalls kann nach einer Abwägung des öffentlichen Informationsinteresses und der Geheimhaltungsinteressen der Beteiligten nach pflichtgemäßem Ermessen eine Anonymisierung nicht genügen und die Herausgabe der Entscheidung verweigert werden.

3. Die Vorschriften der Insolvenzordnung zur Veröffentlichung von Entscheidungen, insbesondere § 64 Abs. 2 InsO, dienen den Interessen der Beteiligten des Insolvenzverfahrens und dessen Beschleunigung. Ein nicht verfahrensbeteiligter Dritter kann aus jenen Vorschriften keine eigenen Rechte im Hinblick auf die Erteilung von Entscheidungsabschriften herleiten.

 

Normenkette

EGGVG § 23; InsO §§ 9, 64; ZPO § 299 Abs. 2

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 25.03.2021; Aktenzeichen IX AR(VZ) 1/19)

 

Tenor

Der Antrag wird, soweit der Antragsteller Verpflichtung des Antragsgegners zur Überlassung von Abschriften von Beschlüssen betreffend die Vergütungsfestsetzung von Mitgliedern des Gläubigerausschusses begehrt, als unzulässig, im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten zu tragen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Der Geschäftswert wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist Mitverfasser von Kommentaren und Handbüchern auf dem Gebiet der insolvenzrechtlichen Vergütung. Der weitere Beteiligte war von dem Amtsgericht Frankfurt am Main - Insolvenzgericht - in dem Insolvenzverfahren des Amtsgerichts Frankfurt am Main mit dem Aktenzeichen .../08 über das Vermögen der A AG (im Folgenden auch: Schuldnerin) zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Mit Schreiben vom 04.01.2017 (Bl. 11063 der Akten des Insolvenzverfahrens) ersuchte der Antragsteller bei dem Amtsgericht Frankfurt am Main um Übersendung einer Abschrift der Entscheidung über die Verwaltervergütung in dem genannten Insolvenzverfahren zu wissenschaftlichen Zwecken.

Nachdem die Rechtspflegerin des Insolvenzgerichts ihm mitgeteilt hatte, dass Akteneinsicht und Übersendung von Aktenauszügen nur Verfahrensbeteiligten gewährt werden könne, erklärte der Antragsteller mit Schreiben vom 19.01.2017 (Bl. 11066 der Insolvenzakten), sein Antrag beruhe auf § 299 Abs. 2 ZPO.

Ein Richter am Amtsgericht übersandte das Gesuch des Antragstellers in der Folge unter dem 09.02.2017 (Bl. 11068 der Insolvenzakten) dem weiteren Beteiligten als Insolvenzverwalter zur Stellungnahme.

Dieser trat mit Schriftsatz vom 22.02.2017 (Bl. 11071 f. der Insolvenzakten) unter Beifügung seiner Stellungnahme vom 23.02.2017 (Bl. 11073 ff. der Insolvenzakten) dem Gesuch entgegen.

Der weitere Beteiligte führte unter Darlegung jeweils im Einzelnen u. a. aus, es sei zweifelhaft, ob § 299 Abs. 2 ZPO auf gerichtliche Entscheidungen des Insolvenzgerichts anwendbar sei. Zwar würden nach § 4 InsO die Vorschriften der Zivilprozessordnung im Insolvenzverfahren gelten, sofern das Gesetz nichts anderes bestimme. Aus § 64 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 InsO folge aber, dass der Beschluss über die Vergütung des Insolvenzverwalters nur beschränkt öffentlich bekannt zu machen sei und lediglich den am Insolvenzverfahren Beteiligten ein Einsichtsrecht zustehe. Selbst wenn § 299 Abs. 2 ZPO vorliegend Anwendung finden sollte, lägen dessen Voraussetzungen aber nicht vor, weil das geltend gemachte wissenschaftliche Interesse kein rechtliches Interesse im Sinne jener Vorschrift darstelle.

Auch falls ein rechtliches Interesse dennoch zu bejahen sein sollte, sei § 299 Abs. 2 ZPO im Insolvenzverfahren als nichtöffentlichem Verfahren jedenfalls restriktiver auszulegen als im Zivilprozess, welcher öffentlich verhandelt werde.

Rechte der Insolvenzschuldnerin, welche durch den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit des Insolvenzverfahrens geschützt seien, stünden einer Herausgabe einer Abschrift der Vergütungsentscheidung entgegen, u. a. deren Rechte auf informationelle Selbstbestimmung und auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, zudem das Bankgeheimnis, das Steuergeheimnis sowie rechtsgeschäftliche Vertraulichkeits- und Geheimhaltungsmaßgaben.

Ebenso seien die Rechte und Interessen der Gläubiger, der Gesellschafterin der Schuldnerin,...

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