Leitsatz (amtlich)
Eine zur Zulassung der Rechtsbeschwerde führende Gehörsverletzung in Folge der rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Entbindungsantrages nach § 73 Abs. 2 OWiG und anschließender Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG liegt nur vor, wenn das AG seine prozessuale Fürsorgepflicht willkürlich verletzt hat und deshalb die Einlassung des Betroffenen zur Sache unberücksichtigt geblieben ist.
Gründe
1.
Der Zulassungsantrag wird verworfen, weil eine Nachprüfung der Entscheidung weder zur Fortbildung des sachlichen Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch wegen Versagung des rechtlichen Gehörs geboten ist (§§ 79 Abs. 1 S. 2, 80 Abs. 1 OWiG).
2.
Die Rüge der fehlerhaften Ablehnung eines Antrags auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen ist im Ergebnis unbeachtlich. Zwar hätte das Amtsgericht den Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbinden müssen, indes ist die Frage obergerichtlich hinreichend geklärt, welche Anforderungen an die Entscheidung des Gerichts über einen Entbindungsantrag des Betroffenen zu stellen sind, der seine Fahrereigenschaft eingesteht und im Übrigen von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, so dass eine Fortbildung des Rechts hier nicht in Betracht kommt. Auch die Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht geboten, da weder den Urteilsgründen noch dem Rügevorbringen zu entnehmen ist, dass mit weiteren Fehlentscheidungen in gleichgelagerten Fällen durch das Amtsgericht Fulda zu rechnen ist. Die Überprüfung einer Einzelfallentscheidung soll durch das Zulassungsverfahren gerade nicht ermöglicht werden.
Die erhobene Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs, auf die der Zulassungsantrag auch im vorliegenden Fall gestützt werden kann, ist unbegründet.
Vorliegend ist das Amtsgericht zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass ein Entbindungsantrag abgelehnt werden kann, wenn die Anwesenheit des Betroffenen zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts erforderlich ist. Dabei hat das Amtsgericht allerdings übersehen, dass nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung zu Verkehrsordnungswidrigkeiten einem Entbindungsantrag jedenfalls dann zu entsprechen ist, wenn der Betroffene seine Fahrereigenschaft eingeräumt, er im Übrigen angekündigt hat, sich in der Hauptverhandlung nicht weitergehend einzulassen, und die Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen entbehrlich ist, was im Allgemeinen bei Geldbußen in der vorliegenden Größenordnung der Fall ist. Dann nämlich ist seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts in der Regel nicht erforderlich. So liegt die Sache hier und insoweit liegt auch ein Rechtsfehler vor.
Nach § 80 Abs. 1 und Abs. 2 OWiG kommen jedoch - auch weil es sich um weniger bedeutsame Sachen mit Bagatellcharakter handelt - nur Gehörsverletzungen im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG in Betracht. Denn insoweit soll das Rechtsbeschwerdegericht in Fällen, in denen nicht zweifelhaft erscheint, dass das Urteil der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standhalten würde, korrigierend eingreifen, um eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts zu vermeiden (vgl. BVerfG NJW 1992, 2811; BayObLG VRS 96, 18; Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 80 Rdn. 16a m.w.N.).
Nach dem Maßstab des Art. 103 Abs. 1 GG liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs hier aber nicht vor. Das Gebot des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG soll sicherstellen, dass die erlassene Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Es bietet hingegen keinen Schutz vor Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt lassen.
Eine zur Zulassung der Rechtsbeschwerde führende Gehörsverletzung muss deshalb nicht immer vorliegen, wenn in Folge der rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Entbindungsantrages nach § 73 Abs. 2 OWiG und anschließender Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG die Einlassung des Betroffenen zur Sache unberücksichtigt geblieben ist. Anders läge es, wenn das Amtsgericht unter gleichsam willkürlicher Verletzung seiner prozessualen Fürsorgepflicht und/oder des Grundsatzes eines fairen Verfahrens das unabdingbare Mindestmaß verfassungsrechtlich verbürgten rechtlichen Gehörs verletzt hätte (vgl. BVerfG NJW 1992, 2811). Dies wird bei Maßnahmen angenommen, die auf unsachlichen, sich von den gesetzlichen Maßstäben völlig entfernende Erwägungen beruhen und unter keinem Gesichtspunkt vertretbar erscheinen. Wegen eines Verstoßes gegen das Willkürgebot kommt ein verfassungsrechtliches Eingreifen daher nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht und nicht schon dann, wenn die Rechtsanwendung, -auffassung oder das eingeschlagene Verfahren Fehler aufweist.
Eine willkürliche Entscheidung in diesem Sinne ist vo...