Entscheidungsstichwort (Thema)
Negativer Kompetenzkonflikt: Abtretung lässt Qualifizierung als Bank- und Finanzgeschäft nach §§ 72a S. 1 Nr. 1, 119a S. 1 Nr. 1 GVG unberührt
Leitsatz (amtlich)
1. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO findet auf negative Kompetenzkonflikte zwischen einzelnen Senaten desselben Oberlandesgerichts betreffend die funktionelle Zuständigkeit entsprechend Anwendung, wenn die Entscheidung des Kompetenzkonfliktes nicht von der Auslegung des Geschäftsverteilungsplans, sondern von einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung nach § 119a GVG abhängt.
2. Eine Streitigkeit aus einem Bank- oder Finanzgeschäft gemäß §§ 119a S. 1 Nr. 1, 72a Nr. 1 GVG setzt nicht in jedem Fall voraus, dass mindestens eine Partei des Rechtsstreits eine Bank oder Sparkasse bzw. ein Kredit- oder Finanzinstitut ist. Entscheidend für das subjektive Merkmal der Beteiligung eines solchen Instituts ist nicht die Parteistellung im Prozess, sondern die Beteiligung am ursprünglichen Rechtsverhältnis. Ist dies der Fall und sind zudem Bank- und Finanzgeschäfte i.S.v. §§ 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 1a S. 2, Abs. 3 KWG streitgegenständlich, so lässt die Abtretung von Ansprüchen hieraus oder die Ermächtigung zu deren prozessualer Geltendmachung die Qualifizierung als Bank- oder Finanzgeschäft unberührt.
Normenkette
GVG § 72a S. 1 Nr. 1, § 119a S. 1 Nr. 1; KWG § 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 1a S. 2; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 07.06.2019; Aktenzeichen 10 U 82/19) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main wird als funktionell zuständiger Spruchkörper bestimmt (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO analog).
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einer Grundschuld. Das Landgericht Stadt1 wies mit Urteil vom 07.12.2018 (AZ: ...) die Vollstreckungsgegenklage gegen die durch die von der Beklagten betriebene Zwangsvollstreckung aus einer Grundschuldbestellungsurkunde ab. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.
Nach dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils nahm der Kläger zur Finanzierung eines Immobilienerwerbs zu Kapitalanlagezwecken am 11.07.2007 ein Darlehen bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten - der Bank1 GmbH - auf, dass mit einer Grundschuld besichert wurde. Hierüber erhielt die Bank1 GmbH eine vollstreckbare Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde, wobei die Vollstreckungsklausel zuletzt am 26.04.2016 auf die Beklagte umgeschrieben wurde. Denn zwischenzeitlich firmierte die sicherungsnehmende Bank1 GmbH zunächst in Bank1a GmbH und später in die Bank1b GmbH um. Letztere wurde 2014 mit der sie übernehmenden Bank1c GmbH unter neuer Firma Bank1b GmbH verschmolzen, die wiederum im Jahr 2015 in die Bank1d GmbH - die Beklagte - umfirmierte. Unter dem 08.07.2010 trat die Rechtsvorgängerin der Beklagten, firmierend unter Bank1a GmbH, die Forderungen gegen den Kläger aus dem Darlehensvertrag und der Grundschuld an die Bank1 GmbH ab, welche diese Forderungen ihrerseits unter dem 30.09.2010 an die Bank2 Ltd. abtrat. Diese ermächtigte wiederum die Beklagte am 07.12.2016, sämtliche ursprünglich der Bank1b GmbH zustehenden Forderungen aus dem streitgegenständlichen Darlehen und der diesbezüglichen Grundschuld geltend zu machen. Der Kläger meint u.a., diese Einziehungs- bzw. Vollstreckungsermächtigung sei unwirksam.
Das Berufungsverfahren wurde am OLG Frankfurt am Main bei dem nach dem Turnus für allgemeine Zivilsenate zuständigen 8. Zivilsenat eingetragen. Dieser bewilligte auf Antrag des Klägers zunächst eine Fristverlängerung für die Berufungsbegründung, hielt sich entsprechend einem Vermerk vom 23.05.2019 sodann für funktionell unzuständig in der Annahme, es handele sich um ein Bank- und Finanzgeschäft i.S.v. § 119a S. 1 Nr. 1 GVG. Daraufhin wurde das Verfahren bei dem 10. Zivilsenat als Spezialsenat für derartige Sachen eingetragen. Dieser vertrat sodann die Auffassung, es liege keine Spezialsache vor, da an dem Rechtsstreit keine Bank und kein Finanzinstitut im Sinne von § 1 Abs. 3 KWG beteiligt sei. Die Parteien wurden über diesen Zuständigkeitsstreit mit Verfügung vom 04.06.2019 und die Absicht, die Sache zur Zuständigkeitsbestimmung analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem 11. Zivilsenat des OLG Frankfurt am Main vorzulegen, in Kenntnis gesetzt. Hieraufhin erklärte der Kläger, er gehe mit Blick auf die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Bank1 GmbH, einer ehemaligen Bank bzw. eines ehemaligen Finanzinstituts (§ 1 Abs. 3 KWG), von einer bankenrechtlichen Spezialsache aus. Die Beklagte äußerte sich zur funktionellen Zuständigkeit nicht. Mit Beschluss vom 07.06.2019 legte der 10. Zivilsenat die Sache dem hiesigen Senat zur Zuständigkeitsbestimmung vor und vertrat dabei die Ansicht, dass eine Streitigkeit aus einem Bank- oder Finanzgeschäft gemäß §§ 119a S. 1 Nr. 1, 72a Nr. 1 GVG voraussetzt, dass (aktuell) mindestens eine Partei des Rechtsstreits eine Bank oder Sparkasse bzw. ein Kredit- oder Finanzinstitut ist. Hieran mangele es d...