Leitsatz (amtlich)

›1. Der Anwendungsbereich der Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG ist gegenüber § 99 BRAGO erheblich eingeschränkt.

2. Sinn und Zweck der Pauschgebühr nach neuem Recht ist es nicht, dem Verteidiger einen zusätzlichen Gewinn zu verschaffen; sie soll nur eine unzumutbare Benachteiligung verhindern.‹

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Aktenzeichen 2650 Js 20433/03 - 6 Ks)

 

Gründe

Der Antragsteller wurde am 26. August 2003 als Pflichtverteidiger für den Angeklagten A bestellt, dem ein Totschlag zur Last gelegt wurde. Nach 13 Hauptverhandlungstagen verurteilte die 6. große Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts Kassel den Angeklagten am 15. Dezember 2004 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Gegen diese Entscheidung legte der Antragsteller am 16. Dezember 2004 Revision ein. Die Revision wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 7. September 2005 als offensichtlich unbegründet verworfen. Der Antragsteller beantragt die Bewilligung einer Pauschvergütung in Höhe von insgesamt 11.000,- EUR.

I.

Dem Antragsteller ist für das erstinstanzliche Verfahren eine Pauschvergütung in Höhe von 325,- EUR zu bewilligen.

Für das erstinstanzliche Verfahren gilt § 99 BRAGO. Gemäß dieser Vorschrift ist in besonders umfangreichen oder schwierigen Strafsachen dem gerichtlich bestellten Rechtsanwalt auf Antrag eine Pauschvergütung zu bewilligen, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht. Maßgebend für diese Beurteilung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Vergleich mit einem entsprechenden Verfahren vor dem jeweiligen Gericht. Dabei ist insbesondere abzustellen auf den zeitlichen Aufwand, den der Verteidiger auf die Sache verwenden muss und den Grad der Schwierigkeit der Strafsache in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Anhaltspunkte für die Bemessung des zeitlichen Aufwands sind vor allem der Umfang der Akten und die Dauer der Hauptverhandlung, wobei ein als unterdurchschnittlich zu qualifizierender Aspekt des Verfahrens einen überdurchschnittlichen anderen Aspekt zu kompensieren vermag, da es auf eine Gesamtbetrachtung ankommt. Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des Senats davon auszugehen, dass eine intensive und sorgfältige Vorbereitung der Termine, zu der das Erarbeiten des Prozessstoffs sowie Gespräche mit dem Angeklagten gehören, eine selbstverständliche Pflicht des Verteidigers als Organ der Rechtspflege ist. Das gilt auch für Besuche des Verteidigers eines inhaftierten Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt (vg. Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2001 - 2 ARs 191/01 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind in dem vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung gegeben. Der Umfang der Ermittlungsakten mit annäherend 600 Seiten und die mittlere Dauer der Hauptverhandlung mit 4 Stunden und 22 Minuten liegen allerdings nicht über dem Durchschnitt vergleichbarer Schwurgerichtsverfahren. Besondere Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art, die das Verfahren von anderen Verfahren abheben würde, sind ebenfalls nicht gegeben. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass Schwurgerichtsverfahren wegen ihrer vom Gesetzgeber anerkannten generellen Schwierigkeit bereits die höchsten Gebührensätze aufweisen. Der Antragsteller stützt seinen Antrag auch im Wesentlichen darauf, dass das Verfahren fast vollständig "unter dem Geltungszeitraum des RVG" mit wesentlich höheren Gebührensätzen stattgefunden habe. Dieser Gesichtspunkt kann für die Zuerkennung einer Pauschvergütung jedoch keine Rolle spielen. Nach der hier maßgeblichen Übergangsvorschrift des § 61 Abs.1 S. 1 RVG ist die BRAGO weiter anzuwenden, wenn der Rechtsanwalt vor dem 1. Juli 2004 gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Aufgrund dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung können Änderungen des Gebührenrechts auch nicht auf dem Umweg über eine Pauschalvergütung berücksichtigt werden. Insoweit gelten die bisherigen Kriterien weiter. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats rechtfertigt jedoch die Teilnahme des Antragstellers an der Zeugenvernehmung B am 14. Oktober 2003 von 10.00 Uhr bis 12.25 Uhr die Bewilligung einer Pauschvergütung in Höhe von 325,- EUR, was der gesetzlichen Gebühr für einen Fortsetzungstermin entspricht.

II.

Für das Revisionsverfahren kann der Antragsteller keine Pauschgebühr beanspruchen.

Die Gebühr für das Revisionsverfahren bemisst sich nach neuem Recht, da das Rechtsmittel nach dem 1. Juli 2004 eingelegt worden ist (§ 61 Abs.1 S.2 RVG). Zuständig ist zwar grundsätzlich der Einzelrichter (§ 42 Abs.3 S.1 i.V.m. § 51 Abs.2 S.4 RVG). Dieser hat jedoch die Sache mit Beschluss vom 13. Dezember zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§ 42 Abs.3 S.2 i.V.m. § 51 Abs.2 S.4 RVG).

Der Anwendungsbereich der Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG ist gegenüber § 99 BRAGO erheblich eingeschränkt. Nach dem neuen Recht ist eine Pauschgebühr nur noch zu bewilligen, wenn die im Vergüt...

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