Leitsatz (amtlich)

Ob die vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 199 BGB gegenüber einem Zweitschuldner überhaupt erst beginnt, wenn er wegen Ausfalls des Erstschuldners erstmals in Anspruch genommen werden darf (so OLG Celle, JurBüro 2012, 538; vgl. ferner OLG Düsseldorf, BeckRS 2010, 04544), was im Ergebnis auf eine zweifelhafte Umgehung von § 205 BGB hinausliefe, kann bei gleichrangigen Mitschuldnern nach § 2 KostO a.F. dahinstehen.

Der Aufschub des Eintritts der Fälligkeit bzw. die fingierte spätere Entstehung des Anspruchs der Staatskasse auf Auslagenerstattung gegenüber einem Zweitschuldner endet jedenfalls, sobald die Zwangsvollstreckung gegen den Erstschuldner erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint, was bei Vorliegen anderer Erkenntnisse nicht erst dann der Fall ist, wenn die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über die Vermögensverhältnisse des Erstschuldners bekannt wird.

Ein Umgangsverfahren ist nicht wegen "Nichtbetreibens" durch "Weglegen" zu beenden.

 

Normenkette

FamGKG § 26; KostO §§ 2, 17; BGB §§ 199, 205

 

Verfahrensgang

AG Lampertheim (Beschluss vom 19.02.2015; Aktenzeichen 3 F 313/06 UG)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss des AG vom 31.08.2015 und die Festsetzung vom 19.02.2015 über restliche Sachverständigenkosten gegen den Antragsteller werden aufgehoben.

Das Festsetzungsverfahren einschließlich des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 14 Abs. 9 KostO).

 

Gründe

Zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin hat in den Jahren 2006 und 2007 ein Umgangsverfahren betreffend ihre beiden o.g. Kinder stattgefunden, in dem ein Sachverständigengutachten eingeholt worden ist, das gemäß Rechnung der Sachverständigen vom 12.02.2007 Kosten von 2.660,10 Euro verursacht hat. Das Familiengericht hat am 29.06.2007 mit den Beteiligten mündlich verhandelt und beiden Elternteilen ein Gespräch bei der Erziehungsberatungsstelle aufgegeben. In der Folgezeit haben Beratungsgespräche stattgefunden, ehe die Antragsgegnervertreterin unter dem 24.09.2007 mitgeteilt hat, dass die Gespräche nach Auffassung des Beraters keinen weiteren Sinn machten. Als daraufhin bis 10.01.2008 keine weiteren Schriftsätze mehr eingingen, verfügte der Familienrichter "1. Verfahren wird derzeit nicht weiter betrieben. 2. Geschäftswert 3000, 3. ZK, 4. Reg/wegl." Die Kostenbeamtin setzte daraufhin am 11.01.2008 die Sachverständigenkosten gemäß § 2 KostO a.F. zu je 1.330,05 Euro gegen beide Elternteile fest. Interessenschuldner seien beide Eltern, Inanspruchnahme gem. § 8 KostVfg.

Der Antragsteller zahlte "seine" Hälfte; die Antragsgegnerin teilte der Gerichtskasse telefonisch mit, sie werde einen Stundungsantrag stellen und beim AG Lampertheim "PKH beantragen". Später rief sie erneut an, PKH sei vom AG abgelehnt worden; der Antrag hätte vorher gestellt werden müssen. Sie könne die Forderung nicht bezahlen, bekomme nur Sozialhilfe und sei arbeitslos. Im November 2008 stellte sie ein neues Stundungsgesuch, weil sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse leider nicht gebessert hätten, und legte einen Bescheid über laufende Leistungen nach dem SGB II vor. In der Folgezeit zahlte sie bis zum 12.06.2012 in kleinsten Raten insgesamt 880 Euro. Am 08.05.2013 hat sie die eidesstattliche Versicherung über ihr Vermögen abgegeben. Die im Jahre 2014 dennoch eingeleitete Zwangsvollstreckung über den Restbetrag verlief erfolglos. Weitere Raten wurden von ihr auch nicht mehr gezahlt. Darauf erfolgte auf die Mithaftanfrage der Gerichtskasse vom 04.02.2015 die Inanspruchnahme des Antragstellers als "Zweit-/Mitschuldner" mit Rechnung vom 19.02.2015 über restliche 469,05 Euro "gemäß §§ 2 - 6 KostO, 22 - 27 GNotKG" mit dem weiteren Zusatz "Die versuchte Beitreibung bei dem Erstschuldner war erfolglos." Der Antragsteller widersprach der Rechnung am 26.02.2015 und forderte nähere Informationen, wofür die Kosten gefordert werden. Nach näherer Erläuterung durch die Kostenbeamtin unter dem 19.03.2015 legte er mit Schreiben vom 07.04.2015 Erinnerung ein und berief sich auf den Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist. Nach Stellungnahmen der Bezirksrevisorin und Nichtabhilfe der Kostenbeamtin hat das AG mit dem angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, die Erinnerung zurückgewiesen.

Die dagegen am 08.09.2015 form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.

Zu Recht weist das AG darauf hin, dass beide Elternteile gemäß § 5 KostO als Gesamtschuldner für die Sachverständigenkosten (Auslagen) haften. Geht man davon aus, dass der Lauf der vierjährigen Verjährungsfrist gem. § 17 KostO a.F. mit den Rechnungen vom 11.01.2008 begonnen hat, wäre jedenfalls grundsätzlich zum 31.12.2012 Verjährung eingetreten. Allerdings sind sowohl die Bezirksrevisorin als auch das AG offenbar davon ausgegangen, der Antragsteller sei hinsichtlich der zunächst der Antragsgegnerin in Rechnung gestellten 1.330,05 Euro nur "Zweitschuldner" und dürfe deshalb zunächst noch nicht in Anspruch...

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