Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Kostenüberbürdung auf den Verurteilten im Hinblick auf Auslagen für die Umsetzung der Anordnung zur TKÜ
Normenkette
StPO § 465 Abs. 1, § 464a Abs. 1; JVEG § 23 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 19.11.2021; Aktenzeichen 5-27 KLs - 5110 Js 203331/17 (32/17)) |
Tenor
1. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. November 2021 wird aufgehoben, soweit dem Beschwerdeführer im Kostenansatz der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 16. Juni 2020 (Kassenzeichen: ...) bei der Position 02 „9005 Auslagen für Telefonüberwachung/Verbindungsdaten“ Kosten in Höhe von 69.056,35 EUR in Rechnung gestellt wurden.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet verworfen.
3. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde durch - rechtskräftiges - Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. Mai 2018 wegen bewaffneten unerlaubten Handelstreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt; ferner wurde eine Einziehungsentscheidung über Tatmittel getroffen. Zugleich wurden ihm die Kosten des Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen auferlegt.
Mit Kostenansatz vom 16. Juni 2020 hat die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens in einer Gesamthöhe von 77.251,50 EUR festgesetzt. In diesem Betrag sind unter der Position 02:“9005 Auslagen für Telefonüberwachung/Verbindungsdaten” auch Kosten in Höhe von 73.231,35 EUR enthalten. Davon entfallen nach der nach einzelnen Rechnungen aufgeschlüsselten“Übersicht der Auslagen” (vorgeheftet Bd. I VH) insgesamt 49.700,00 EUR auf Auslagen von Mobilfunkanbietern für die Umsetzung von Anordnungen zur Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) und 23.531,35 EUR auf die Vergütung von Dolmetscherleistungen zur Übersetzung von Gesprächen, die bei der TKÜ angefallen sind. Die Kostenrechnung wurde dem Beschuldigten mit Anschreiben der Gerichtskasse vom 8. Juni 2021 übermittelt.
Gegen diese Kostenrechnung hat der Beschwerdeführer am 16. Juni 2021 Erinnerung eingelegt. Nach Stellungnahme des Bezirksrevisors hat das Landgericht Frankfurt - Einzelrichterin - die Erinnerung mit Beschluss vom 19. November 2021 zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich der Verurteilte mit seiner Beschwerde vom 1. Dezember 2021. Er rügt insbesondere, dass die Kostenrechnung bereits formell rechtswidrig sei, weil sie nicht den Anforderungen an Begründungstiefe und Nachprüfbarkeit entspreche. Zudem sei zu beanstanden, dass (allein) dem Beschwerdeführer sämtliche während der TKÜ-Maßnahmen im hiesigen Ermittlungsverfahren angefallenen Kosten bei den verpflichteten Mobilfunkanbietern und den Dolmetschern auferlegt worden seien, obgleich das Ermittlungsverfahren auch gegen zahlreiche weitere Beschuldigte geführt worden sei.
Nach erneuter Stellungnahme des Bezirksrevisors hat das Landgericht der Beschwerde mit Beschluss vom 29. Dezember 2021 nicht abgeholfen. Es ist dabei zusammenfassend der Argumentation der Staatskasse gefolgt, dass die dem Angeklagten in Rechnung gestellten Kosten auf Grund von Ermittlungen gegen ihn entstanden und von der Staatskasse vorverauslagt worden waren. Die Staatsanwaltschaft hatte im Ermittlungsverfahren die Kosten als "sachlich und rechnerisch richtig" abgezeichnet.
Die Akten wurden dem Senat mit Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 4. Januar 2022 vorgelegt. Hierzu haben der Verteidiger mit Schriftsätzen vom 6. Januar 2022 und 12. März 2022 sowie der Bezirksrevisor des Landgerichts Frankfurt mit Schreiben vom 8. April 2022 abschließend Stellung genommen.
Die Einzelrichterin hat das Verfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache dem Senat übertragen (§ 66 Abs. 6 Satz 2 GKG).
II.
Die nach § 66 Abs. 2 GKG statthafte Beschwerde ist zulässig und überwiegend begründet. Der Kostenansatz der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 16. Juni 2020 in Form des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. November 2021 ist zu Unrecht ergangen, soweit dem Beschwerdeführer die Auslagen für „Telefonüberwachung/Verbindungsdaten“ (Position 02 des Kostenansatzes) in Höhe von 69.056,35 EUR auferlegt wurden. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
Einer Überbürdung eines Teils der Kosten auf den Verurteilten steht vorliegend bereits entgegen, dass der streitgegenständliche Kostenansatz auf Grund mehrerer bei der Staatsanwaltschaft bestehender gesetzeswidriger Strukturfehler entstanden ist, die bereits zu Unrecht zu einer Vorverauslagung von Kosten durch die Staatskasse geführt haben.
1. Nach der in dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 25. Mai 2018 getroffenen Kostengrundentscheidung hat der Beschwerdeführer nach §§ 464, 465 StPO die Kosten des Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen im Rahmen seiner Verurteilung zu tragen.
a) Voraussetzungen für die Kostenüberbürdung auf den Verurteilten ist nach § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO, § 464a Abs...