Entscheidungsstichwort (Thema)
Einberufungsverlangen eines Minderheitsaktionärs zur Hauptversammlung
Leitsatz (amtlich)
Im gerichtlichen Verfahren auf Ermächtigung eines Minderheitsaktionärs zur Einberufung einer Hauptversammlung ist für die Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit und Dringlichkeit des Einberufungsverlangens nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern der Entscheidung des LG als letzter Tatsacheninstanz abzustellen.
Eine beabsichtigte Beschlussfassung über Maßnahmen der Geschäftsführung kann ein Einberufungsverlangen nur dann rechtfertigen, wenn hierfür ausnahmsweise eine Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung nach den vom BGH in der Holzmüller-Entscheidung und der Gelatine-Entscheidung entwickelten Grundsätzen gegeben ist.
Normenkette
AktG § 122 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Marburg (Beschluss vom 22.12.2004; Aktenzeichen 4 T 5 u. 6/04) |
AG Marburg (Aktenzeichen 16 HRB 4680) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat der Antragsgegnerin die im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Beschwerdewert: 30.000 EUR.
Gründe
I. Der Antragsteller, welcher ausweislich des Handelsregisters bis zum 20.7.2004 (nach eigenen Angaben: bis zum 20.6.2004) im Vorstand der Antragsgegnerin tätig war und als Aktionär mehr als 5 % des Grundkapitals von 46.842.240 EUR in Aktien hält, beantragte am 27.9.2004 beim AG Marburg, ihn zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung zur Beschlussfassung über insgesamt 10 näher bezeichnete Tagesordnungspunkte zu ermächtigen, nachdem der Vorstand der Antragsgegnerin einem entsprechenden an ihn gerichteten Antrag vom 17.9.2004 bis zu diesem Zeitpunkt nicht entsprochen hatte. Gegenstand der Tagesordnung sollte u.a. die Beschlussfassung über die Abberufung und Neuwahl des Aufsichtsrates, der Entzug des Vertrauens ggü. den Vorstandsmitgliedern S. und T., die Geltendmachung von Ansprüchen auf Unterlassung gesellschaftsschädlicher Maßnahmen durch Realisierung der Barkaufoption aus einem am 6.4.2004 abgeschlossenen Einbringungsvertrag mit der ... GmbH, die Bestellung von Sonderprüfern und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ggü. dem Vorstand und/oder Aufsichtsrat sowie die diesbezügliche Bestellung eines besonderen Vertreters sein.
Mit Beschluss vom 14.10.2004 ermächtigte das AG den Antragsteller zur Einberufung einer Hauptversammlung mit dem Gegenstand der Abberufung des Aufsichtsrates gem. § 103 Abs. 1 AktG und wies den Antrag im Übrigen zurück, wobei die Vollziehung dieser Entscheidung mit weiterem Beschluss vom 19.10.2004 bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ausgesetzt wurde.
Auf die sofortige Beschwerde beider Beteiligter hob das LG mit Beschluss vom 22.12.2004 den Beschluss des AG vom 14.10.2004 auf und wies den Antrag auf Ermächtigung zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung insgesamt zurück.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen weiteren Beschwerde.
II. Das Rechtsmittel ist nach § 122 Abs. 3 S. 4 AktG i.V.m. §§ 145, 146, 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 2 FGG zulässig, führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg, weil die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Das LG hat den Antrag des Antragstellers als Minderheitsaktionär auf Ermächtigung zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung insgesamt zu Recht zurückgewiesen.
Nach § 122 Abs. 1 S. 1 AktG ist die Hauptversammlung auf Verlangen von Aktionären, deren Mindestbeteiligung bei 5 % des Grundkapitals liegt, einzuberufen. Die Vorschrift bezweckt den Schutz der Minderheitsaktionäre und soll als Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts die Ausübung der an die Hauptversammlung gebundenen Rechte gewährleisten (Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 122 Rz. 1; Kubis in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 122 Rz. 1). Kommt der Vorstand dem Verlangen nicht nach, so hat das Gericht bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Ermächtigung des oder der Minderheitsaktionäre zur Einberufung der Hauptversammlung zu erteilen. Neben der Einhaltung der erforderlichen Mindestbeteiligung des oder der antragstellenden Aktionäre sowie der Beachtung der förmlichen Anforderungen, die hier unstreitig beide gegeben sind, stellt das Gesetz keine inhaltlichen Voraussetzungen für das Einberufungsverlangen auf.
Es ist in Rechtsprechung und Literatur jedoch einhellig anerkannt, dass die Ausübung dieses Rechtes den Treuebindungen unterliegt, die zwischen der Aktiengesellschaft und den Aktionären bestehen. Insbesondere darf das Einberufungsverlangen nur auf die Behandlung solcher Gegenstände durch die Hauptversammlung gerichtet sein, für die diese eine aktienrechtliche Zuständigkeit besitzt und die eine Beschlussfassung durch die Hauptversammlung erfordern.
Des Weiteren darf das Einberufungsverlangen nicht auf die Herbeiführung eines gesetzes- oder satzungswidrigen Hauptverhandlungsbeschlusses gerichtet sein. Aus der Treuebindung d...