Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung des Antrags auf Zurückstellung der Strafvollstreckung bei betäubungsmittelabhängigem Straftäter. Bezugnahme auf Anlagen beim Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Zweifel an der Therapiewilligkeit als Ablehnungsgrund
Leitsatz (amtlich)
1. In der Antragsschrift nach §§ 23 ff. EGGVG darf im Gegensatz zum Klageerzwingungsantrag zur Darstellung des Sachverhalts jedenfalls auf dieser beiliegende Anlagen Bezug genommen werden.
2. Das Bestehen bloßer Zweifel an einer hinreichenden Therapiemotivation oder -fähigkeit rechtfertigen die Ablehnung der Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 Abs. 2 BtMG nicht. Die fehlende Therapiefähigkeit muss vielmehr feststehen, d.h. Zweifel an der fehlenden Therapieaussicht müssen (nahezu) ausgeschlossen sein. Der Weg aus der Drogensucht ist regelmäßig mit gescheiterten Therapieversuchen und Rückfällen in kriminelle Verhaltensweisen verbunden, weshalb diese den Schluss auf eine mangelnde Therapiefähigkeit allein nicht zulassen und deshalb einer erneuten Zurückstellung als solche nicht entgegenstehen.
Tenor
1. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben. Die Vollstreckungsbehörde wird verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.
2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Antragstellers fallen der Staatskasse zur Last.
3. Der Gegenstandswert wird auf 3.000.- € festgesetzt.
Gründe
Die Staatsanwaltschaft Limburg hat mit Bescheid vom 17.12.2012 den Antrag des Verurteilten auf Zurückstellung der Restfreiheitsstrafen - sämtlich unter 2 Jahren - aus Verurteilungen in den im Beschlusseingang genannten Verfahren, welche wegen Begehung direkter und indirekter Beschaffungsdelikte verhängt worden waren, abgelehnt, obwohl - jedenfalls zu diesem Zeitpunkt und auch noch bei Einlegung der Vorschaltbeschwerde - ein Therapieplatz für den Antragsteller vorhanden und eine Kostenübernahmeerklärung durch den Sozialversicherungsträger erteilt worden war.
Die hiergegen gerichtet Vorschaltbeschwerde hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main am 14.02.2013 mit der Begründung verworfen, die Therapiefähigkeit des Antragstellers müsse "mehr als angezweifelt werden". Aus dem Vollstreckungs- und Therapieverlauf ergebe sich, dass der Verurteilte seit der Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 19.04.1999 im Gnadenwege durch Entscheid der Staatsanwaltschaft vom 16.05.2000 über einen Zeitraum von über 10 Jahren nahezu durchgängig im Vollzug oder aber in Therapie bzw. Nachsorge gewesen sei. Er habe zwar sowohl die Maßnahme nach § 64 StGB in der Zeit vom 30.03.2004 -10.03.2006 als auch die sich nach zwischenzeitlicher weiterer Vollstreckung anschließende therapeutische Maßnahme nach § 35 BtMG in der "..." vom 24.02.2009 - 23.11.2009 erfolgreich abgeschlossen, sei aber innerhalb kürzester Zeit drogenrückfällig und drogenbedingt in den jeweiligen Bewährungszeiten jeweils erneut straffällig geworden und habe sich hierdurch als "offensichtlich therapieunfähig erwiesen". Auch die Entwicklung des Verurteilten im neuerlichen Vollzug seit November 2010 rechtfertige es nicht, nunmehr von Therapiefähigkeit auszugehen. Der Verurteile nehme zwar seit dem 06.09.2012 am Suchtpräventionsprogramm teil, komme aber selbst bei regelmäßigem Besuch der 14-tägig stattfindenden Gruppengespräche nur auf 10 zweistündige Sitzungen, derzeit finde die Maßnahme aus Kostengründen nicht (mehr) statt. Ferner seien die Urinkontrollen negativ auf Drogenkonsum gewesen. Im Vergleich zu den gegen eine Therapieunfähigkeit sprechenden Anhaltspunkten in den letzten 10 Jahren sei dieses erst sehr kurze Handeln aber nicht ausreichend.
Gegen die Ablehnung des Antrags, die Vollstreckung der Reststrafen erneut zurückzustellen, wendet sich der Verurteilte mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere genügt die Antragsschrift den vom Senat verlangten Begründungsanforderungen.
Der Senat hat durch Beschluss vom 14.08.2012 - 3 VAs 27/12 klargestellt, dass die für das Klageerzwingungsverfahren geltenden Grundsätze schon auf Grund des unterschiedlichen Wortlauts (§ 172 III 1 StPO und § 24 I EGGVG) nicht auf das Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG übertragbar sind. Das BVerfG hat mit - zwischenzeitlich auch veröffentlichten - Beschluss vom 05.04.2012 (2 BVR 211/12 - juris; vgl. auch OLG Celle, Beschl. v. 12.07.2012 - 2 VAs 12/12 - juris - beide Entscheidungen sind für Heft 6/2013 der NStZ-RR zum Abdruck vorgesehen) klargestellt, dass in der Antragsschrift nach §§ 23 ff. EGGVG im Gegensatz zum Klageerzwingungsantrag zur Darstellung des Sachverhalts jedenfalls auf dieser beiliegende Anlagen Bezug genommen werden darf. Vorliegend ergeben sich aus dem im fristgerecht eingegangen Schriftsatz vom 18.03.2013 in Bezug genommenen und als Anlage beigefügten Beschwerdebescheid der von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 26.03.2013 vermisste Tatsachenvortrag, näml...