Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedeutung von § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG für die Streitwertfestsetzung
Leitsatz (amtlich)
Mit § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG hat der Gesetzgeber ein Indiz geschaffen, das für eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung von lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen spricht. Die Norm macht indes keine Vorgaben für die Bemessung des Streitwertes in derartigen Fällen.
Normenkette
GKG § 51; UWG § 8c Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Beschluss vom 10.02.2021; Aktenzeichen 16 O 3/21) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Der Gebührenstreitwert wird auf 33.000 EUR festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die von den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin im eigenen Namen eingelegte Beschwerde ist nach § 68 Abs. 1 GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Gründe
1. Nach dem in Rechtsstreitigkeiten aus dem Lauterkeitsrecht anzuwendenden § 51 Abs. 2 GKG ist der Streitwert entsprechend der sich aus dem Antrag des Klägers bzw. Antragstellers ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen (zu den Grundsätzen bei der Streitwertfestsetzung im Lauterkeitsrecht: OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.7.2021 - 6 W 53/21). Soweit das Landgericht auf §§ 48, 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO abgestellt hat, ist dies daher schon im Ansatz fehlerhaft.
Entscheidend bei Unterlassungsanträgen ist das Interesse des Klägers bzw. Antragstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße, das maßgeblich durch die Art des Verstoßes bestimmt wird, insbesondere seine Gefährlich- und Schädlichkeit für die Träger der maßgeblichen Interessen (BGH, Beschluss vom 15.9.2016 - I ZR 24/16 = GRUR 2017, 212 - Finanzsanierung). Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats kommt der Streitwertangabe des Anspruchsstellers zu Beginn des Verfahrens eine indizielle Bedeutung für das tatsächlich verfolgte Interesse zu. Damit ist grundsätzlich das sog. "Angreiferinteresse" maßgeblich, also das wirtschaftliche Interesse des Klägers bzw. Antragstellers, das nach objektiven Maßstäben zu bewerten ist (vgl. z.B. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3.11.2011 - 6 W 65/10 = WRP 2017, 719; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.7.2021 - 6 W 53/21).
2. Die Antragstellerin hat in der Antragsschrift den Streitwert mit 50.000 EUR für die Hauptsache und - der Regelung in § 51 Abs. 4 GKG gehorchend - mit 33.000 EUR für das Eilverfahren angegeben. Dies entspricht der Angabe in der Abmahnung vom 4.1.2021 (Bl. 63 d.A.), in der ebenfalls ein Streitwert von 50.000 EUR angegeben wurde.
3. Eine Herabsetzung des Streitwerts kam nicht in Betracht. Zwar kann der Streitwert nach § 51 Abs. 3 S. 1 GKG gemindert werden, wenn die Bedeutung der Sache für den Beklagten bzw. Antragsgegner erheblich geringer zu bewerten ist als der sich aus § 51 Abs. 2 GKG ergebende Streitwert. Das ist hier indes nicht der Fall. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände - und entgegen der Auffassung des Landgerichts - erscheint der von der Antragstellerin vorprozessual angegebene Streitwert von 50.000 EUR nicht übersetzt.
a) Der Antragsgegnerin werden Verstöße gegen §§ 3, 3a UWG i.V.m. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 b) VO (EG) Nr. 834/2007 (ÖkoVO) vorgeworfen, da sie Lebensmittel als biologisch angeboten und verkauft hat, ohne sich einem Kontrollsystem nach Art. 27 ÖkoVO zu unterstellen. Bei Verstößen dieser Art sind sowohl erhebliche Verbraucherinteressen als auch die Interessen der Antragstellerin als Mitbewerberin betroffen, die sich insoweit rechtstreu verhält. Anders als z.B. bei der Verletzung von Kennzeichnungspflichten, die den Mitbewerber nicht unmittelbar betreffen oder benachteiligen, ist hier ein Wettbewerbsnachteil für die Antragstellerin zu erkennen, die sich - im Gegensatz zur Antragsgegnerin - den Mühen und Kosten der Akkreditierung gestellt hat.
b) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kann nicht von einem unterdurchschnittlichen Angriffsfaktor ausgegangen werden. Ausweislich des unbestrittenen Vortrags der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin zahlreiche verschiedene Produkte mit der Bezeichnung "Bio" angeboten. In der Antragsschrift sind allein acht Produkte aufgeführt, wobei die Liste ersichtlich nicht abschließend ist, da sie mit "etc." endet.
Da es auch um Verbraucherinteressen geht, sind nicht allein der Umsatz und Gewinn entscheidend, den die Antragsgegnerin durch den Verkauf der betroffenen Produkte erwirtschaftet hat. Es kommt auch nicht maßgeblich auf den Stückpreis der Produkte bei der Antragsgegnerin an, wie das Landgericht in seinem Nicht-Abhilfebeschluss gemeint hat. Im Übrigen sind die von der Antragsgegnerin erzielten Umsätze auch keineswegs vernachlässigbar gering. Nach den Angaben im Schreiben vom 15.7.2021 (Bl. 194 f. d.A.) erzielte sie allein im Jahr 2020 - allerdings mit ihrer gesamten Produktpalette - einen Umsatz von 700.000 EUR.
Ebenso wenig kann der Umstand, dass die Antragsgegnerin seit April 2021 ordn...