Leitsatz (amtlich)

Der Gegner einer Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann von ihm verauslagte Gerichtskosten gegen die bedürftige Partei festsetzen lassen, soweit diese sich in einem gerichtlichen Vergleich zur Übernahme dieser Kosten bereit erklärt hat. § 58 II 2 GKG ist nicht anwendbar (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des Senats, vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.11.1999, NJW 2000, 1220 [1221]).

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 14.08.2003; Aktenzeichen 8 O 493/00)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 8. Zivilkammer des LG Darmstadt v. 14.8.2003 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Beschwerdewert: 361,90 Euro

 

Gründe

I.

Die Klägerin, die ein Maklerbüro betreibt, hat gegenüber dem Beklagten Maklerlohn geltend gemacht. Das LG hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren schlossen die Parteien und die Streithelfer einen Vergleich, in dem sich der Beklagte gegenüber der Klägerin zur Zahlung von 1000,00 Euro und die Streithelfer zur Zahlung von weiteren 4112,00 Euro an die Klägerin verpflichteten. Die Nummer 2 des Vergleichs enthält zu den Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs folgende Kostenregelung:

“Die Gerichtskosten werden gegeneinander aufgehoben. Die Klägerin trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Streithelfer tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten trägt dieser 1/5 und tragen die Streithelfer 4/5.“

Auf Antrag der Klägerin hat das LG die von dem Beklagten aufgrund des geschlossenen Vergleichs an die Klägerin zu erstattenden Gerichtskosten auf 369,90 Euro festgesetzt. Diese Summe entspricht dem Überschuss der von der Klägerin zuviel gezahlten Gerichtskosten, welcher mit den von dem Beklagten zu zahlenden Gerichtskosten verrechnet wurde. Dem Beklagten war in beiden Instanzen Prozesskostenhilfe bewilligt worden.

II.

Die von dem Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist sachlich nicht begründet. Unter Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden 12. Zivilsenats geht der Senat davon aus, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten als bedürftiger Partei, die von ihr verauslagten Gerichtskosten festsetzen lassen kann, da dieser in einem Vergleich insoweit die Kosten des Rechtsstreits übernommen hat. § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG ist nicht anwendbar.

Die in dem gerichtlichen Vergleich getroffene Regelung, wonach die Gerichtskosten gegeneinander aufgehoben werden, ist dahin auszulegen, dass die Klägerin und der Beklagte die Gerichtskosten zur Hälfte tragen (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.2003 - III ZB 11/03, BGHReport 2004, 131 = MDR 2004, 295 m.H.a. BGH v. 3.4.2003 - V ZB 44/02, BGHReport 2003, 769 = NJW 2003, 1948 f., zitiert nach JURIS).

Die Frage, ob gegen eine Partei der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, die von der Gegenpartei verauslagten Gerichtskosten festgesetzt werden können, wenn sich die bedürftige Partei in einem gerichtlichen Vergleich zur Übernahme dieser Kosten bereit erklärt hat, ist in der Rechtsprechung der OLG streitig, wird aber zunehmend in Übereinstimmung mit der wohl herrschenden Meinung bejaht (BVerfG v. 28.6.2000 - 1 BvR 741/00, MDR 2000, 1157 = NJW 2000, 3271 zitiert nach JURIS; NJW 1999, 507 ff.; BGH, Beschl. v. 23.10.2003 - III ZB 11/03, BGHReport 2004, 131 = MDR 2004, 295; OLG Frankfurt v. 1.10.2002 - 25 W 70/02, OLGReport Frankfurt 2003, 180; OLG Stuttgart v. 19.12.2000 - 8 WF 25/00, OLGReport Stuttgart 2001, 101 f.; OLG Hamm, OLGReport Hamm 2002, 162; Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl., § 58 GKG Rz. 23; Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 123 Rz. 6; Musielak/Fischer, ZPO, 3. Aufl, § 123 Rz. 4). Der erkennende Senat hatte sich in dem Beschl. v. 10.11.1999 (OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.11.1999, NJW 2000, 1220 [1221]) der Auffassung angeschlossen, wonach die bedürftige beklagte Partei, auch wenn sie zur Beendigung des Rechtsstreits Kostenaufhebung in einem Vergleich vereinbart hat, nicht zur Zahlung des danach auf sie entfallenden Anteils an den vom Kläger verauslagten Gerichtskosten herangezogen werden kann. An dieser Auffassung hält der Senat nicht mehr fest.

Das BVerfG hat mit Beschl. v. 23.6.1999 (BVerfG, Beschl. v. 23.6.1999, NJW 1999, 507 ff.) zwar entschieden, dass es mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, wenn eine beklagte Partei, der Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, als Entscheidungsschuldnerin über §§ 58 Abs. 2 S. 2, 54 GKG, 123 ZPO verpflichtet wird, der Klägerin die von ihr verauslagten (vorgeschossenen) Gerichtskosten zu erstatten. Dabei hat es jedoch ausdrücklich den Fall ausgenommen, in dem die Kostentragungspflicht der durch Prozesskostenhilfe begünstigten Partei auf einer Übernahme durch Vergleich beruht. Inzwischen hat sich das BVerfG in einem weiteren Beschl. v. 28.6.2000 (BVerfG, Beschl. v. 28.6.2000 - 1 BvR 741/00, MDR 2000, 1157 = NJW 2000, 3271) ausgesprochen, dass Art. 3...

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