Entscheidungsstichwort (Thema)

Schiedsgericht: Aufhebung eines Schiedsspruchs wegen durch Verletzung rechtlichen Gehörs begründeten ordre-public-Verstoßes

 

Leitsatz (amtlich)

Der am 31. Mai 2018 in dem von der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC) administrierten Schiedsverfahren (ICC-Verfahren Nr. ...) durch die Schiedsrichter A (Vorsitzender), B und C erlassene Schiedsspruch in Gestalt der Entscheidung über die Berichtigung und Auslegung des Schiedsspruchs mit Nachtrag vom 7. Dezember 2018 wird aufgehoben.

 

Normenkette

ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 26.11.2020; Aktenzeichen I ZB 11/20)

 

Tenor

Die Antragsgegnerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf 30.000.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt als Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der X1 GmbH die Aufhebung eines Schiedsspruchs, mit dem seine gegen die Antragsgegnerinnen u.a. wegen eines Differenzhaftungsanspruchs gemäß § 9 GmbHG erhobene Schiedsklage abgewiesen worden ist.

Die Antragsgegnerinnen zu 1. - 3. sind Rechtsnachfolgerinnen der X2 AG. Die Antragsgegnerin zu 4. war Komplementärin einer durch Formumwandlung entstandenen Folgegesellschaft der X2 AG.

Der Schiedsklage des Antragsstellers liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der X2 Konzern entschloss sich im Jahre 2004, den zum Konzern gehörigen Geschäftsbereich "Consumer Imagine Business" (im Folgenden: CI-Geschäftsbereich) zu veräußern. Der CI-Geschäftsbereich befasste sich mit der Herstellung und dem Vertrieb fotografischer Produkte für den Endverbrauchermarkt sowie von Verbrauchsmaterialien und Geräten für Fotolabors im Groß- und Einzelhandel. Der Geschäftsbereich gliederte sich in die drei Geschäftsfelder Film (Fotofilmprodukte und Einwegkameras), Finishing (beschichtetes Fotopapier und Chemikalien) und LAB Equipment (Laborgeräte für die Entwicklung von Foto-, Film- und Digitalbildern auf beschichtetem Fotopapier). Der Geschäftsbereich war im Jahr 2004 seit mehreren Jahren stark rückläufig.

Nach Durchführung eines Bieterverfahrens erteilte die X2 AG den Zuschlag für den Erwerb des CI-Geschäftsbereichs an eine Investorengruppe um Herrn D. Grundlage für das Angebot der Investorengruppe war ein Investorenkonzept vom 21.07.2004 ("Investor Concept") nebst zugrundeliegender Planung ("Deal Analysis"), das auf Ist-Zahlen bis einschließlich Mai 2004 beruhte und die Schließung des Gesamtgeschäfts einschließlich des Bereichs Laborgeräte zum Ende des Jahres 2007 vorsah. Die künftige Finanzierung des CI-Geschäfts-bereichs sollte nach dem Investorenkonzept durch ein Gesellschafterdarlehen der X1 Holding GmbH in Höhe von 20 Mio. Euro (im Folgenden: I/C Darlehen), eine Banklinie der Bank1 in Höhe von 50 Mio. Euro und eine Factoring Linie in Höhe von weiteren 50 Mio. Euro erfolgen.

Die X2 AG schloss mit der durch eine Vorratsgesellschaft handelnden Investorengruppe des D zwecks Übertragung des CI-Geschäftsbereichs am 18.08.2004 einen Geschäftsanteilskaufvertrag (im Folgenden: SPA, Anlage AS 13), der u.a. eine Veräußerung sämtlicher Geschäftsanteile der X1 Holding GmbH einschließlich der Anteile dieser Gesellschaft an der X1 GmbH an die Vorratsgesellschaft zum Gegenstand hatte. Das SPA sah vor, dass die X2 AG vor der Veräußerung der Geschäftsanteile die operativen Teile des CI-Geschäftsbereichs im Wege einer Sachkapitalerhöhung um einen Nominalbetrag von 100,00 Euro in die X1 GmbH einbringen sollte. Als Kaufpreis sah das SPA einen Betrag von 135 Mio. Euro vor, der später aufgrund eines Schieds-gutachtens vom 05.07.2007 auf 81,1 Mio. Euro reduziert wurde.

Gemäß dem im SPA vorgesehenen Zeitplan fasste die X2 AG als Alleingesellschafterin der X1 GmbH am 01.11.2004 den Kapitalerhöhungsbeschluss und schloss mit der X1 GmbH den Einbringungsvertrag, nach dem der operative Teil des CI-Geschäftsbereichs als Sacheinlage im Rahmen einer Kapitalerhöhung um 100,00 Euro in die X1 GmbH eingebracht wurde. Die Sachkapitalerhöhung wurde am 02.11.2004 zum Handelsregister angemeldet und am selben Tage eingetragen.

Im Anschluss an die Sachkapitalerhöhung fand am 02./03.11.2004 der Vollzug des SPA ("Closing") statt. Die X1 Holding GmbH erwarb bei Vollzug des SPA die Anteile an der X1 GmbH und weitere zum CI-Geschäftsbereich gehörende Vermögenswerte, darunter die Marken- und Lizenzrechte sowie zwei sogenannte Leasing Cash Streams, bei denen es sich um Leasingforderungen der X1 GmbH in Höhe von 59 Mio. Euro (Leasing Cash Stream 1) und Leasingforderungen der X2 AG in Höhe von rund 127 Mio. Euro (Leasing Cash Stream 2) handelte. Im Übrigen wird anstelle einer Darstellung der einzelnen Schritte zur Ausgliederung des CI-Geschäftsbereichs aus dem X2 Konzern sowie der Durchführung der Kapitalerhöhung der X1 GmbH und des Vollzuges des SPA auf die Darstellung im Schiedsspruch, insbesondere in den Rn. 290 ff., 298 ff. und 306 ff. Bezug genommen.

Die X1 GmbH stellte am 29.05.2005 Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit. Das Insolv...

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