Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsbeschränkung. Wirksamkeit. richterliche Unterschrift. Fehlen der Unterschrift unter dem amtsgerichtlichen Urteil. Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung bei Fehlen der Unterschrift unter dem amtsgerichtlichen Urteil
Leitsatz (amtlich)
Ist das amtsgerichtliche Urteil nicht nach § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO unterzeichnet, so ist die erfolgte Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch, bzw. noch weitergehend auf die fehlende Strafaussetzung zur Bewährung unwirksam, was vom Revisionsgericht auf die Sachrüge zu beachten ist.
Normenkette
StPO § 275 Abs. 1, 2 S. 1, § 318
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 14.04.2009; Aktenzeichen 5/10 - 3950 AR 260390/09 Ns (39/09)) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den ihm zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 08.09.2008 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten. Dagegen legte der Angeklagte rechtzeitig Berufung ein. In der Berufungshauptverhandlung vom 14.04.2009 erklärte der Angeklagte nach Rücksprache mit seinem Verteidiger, er beschränke das Rechtsmittel auf die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung. Die Staatsanwaltschaft stimmte der Beschränkung zu. Mit dem angefochtenen Urteil verwarf das Landgericht die Berufung. Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision, die vom Verteidiger fristgerecht mit formellen Rügen und der Sachrüge begründet worden ist.
Das Rechtsmittel hat - zumindest vorläufig - Erfolg.
Auf die Sachrüge hin hat der Senat zu prüfen, ob das Landgericht über alle Bestandteile des erstinstanzlichen Urteils entschieden hat (BGHSt 27, 70 [72]; Senat, Urt. v. 02.11.2009 - 3 Ss 147/09; Beschl. v. 16.12.2003 - 3 Ss 385/03 - st. Rspr.; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 352 Rn 4 mwN). Die Kammer hat auf Grund der erfolgten Berufungsbeschränkung Feststellungen zum Schuld- und Strafausspruch unterlassen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ergibt, dass das LG zu Unrecht von der Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung ausgegangen ist.
Bereits die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch (und innerhalb dessen auf die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung) ist unwirksam, wenn die Feststellungen des Amtsgerichts zur äußeren und inneren Tatseite so dürftig sind, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen (Senat, Beschl. v. 25.09.2008 - 3 Ss 312/08; Meyer-Goßner § 318 Rn 16). Dies ist hier der Fall, denn das amtsgerichtliche Urteil ist nicht unterzeichnet und enthält damit keine prüffähigen Gründe.
In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass das Fehlen der richterlichen Unterschrift - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall des Fehlens (nur) der Unterschrift eines Richters bei der Entscheidung durch ein Kollegialgericht - dem völligen Fehlen der Urteilsgründe gleichzustellen ist (BGHSt 46, 204 = NJW 2001, 838 = NStZ 2001, 219 [838]; OLG Frankfurt [2. Strafsenat], Beschl. v. 19.06.2008 - 2 Ss-OWi 277/08; v. 26.09.2008 - 2 Ss OWi 439/07 und v. 28.10.2008 - 2 Ss-OWi 463/08; OLG Schleswig, Beschl. v. 24.01.2001 - 1 Ss OWi 26/01 - juris; Meyer-Goßner, § 318 Rn 16 mwN).
Die Unterschrift des Amtsrichters unter der Verfügung, mit der er die Zustellung des nicht unterschriebenen Urteils veranlasst hat (Bl. 96 d.A.), vermag die Unterschrift unter dem Urteil nicht zu ersetzen (OLG Frankfurt [2. Strafsenat], Beschl. v. 19.06.2008 aaO.; OLG Düsseldorf, VRS 72, 118 [119]). Nach Ablauf der in § 275 StPO bestimmten Frist konnte der Mangel auch nicht mehr behoben werden (BGH, NStZ-RR 2000, 237). Er ist schließlich auf die Sachrüge (BGHSt 46, 204 [206] = NJW 2001, 838 [839] = NStZ 2001, 219) und damit auch bei der von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung zu beachten (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 24 - für die Revisionsbeschränkung).
Fundstellen
Haufe-Index 2573876 |
NStZ-RR 2010, 250 |