Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkungen nach § 119 Abs. 1 StPO. Umdeutung einer Beschwerde in einen Aufhebungsantrag
Leitsatz (amtlich)
Mit Erhebung der öffentlichen Klage geht die Zuständigkeit für die Haftkontrolle vom Ermittlungsrichter gemäß § 126 II 1 StPO auf das mit der Sache befasste Gericht und über angeordnete Beschränkungen auf dessen Vorsitzenden (§ 126 II 3 StPO). Eine unerledigte, bzw. - erst Recht - eine nach diesem Zeitpunkt eingelegte Beschwerde gegen nach § 119 I StPO angeordnete Beschränkungen (hier: Besuchsüberwachung) ist deshalb in einen Antrag auf Aufhebung der Maßnahme umzudeuten.
Normenkette
StPO § 119 Abs. 1, 5, § 126 Abs. 2 Nrn. 1, 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 14.03.2013; Aktenzeichen 5-21 Ks 3390 Js 201588/13) |
Tenor
Die Sache wird zur Entscheidung über den Antrag des Angeklagten auf Aufhebung der Besuchsüberwachung an den Vorsitzenden der 21. Strafkammer zurückgegeben.
Gründe
Der Angeklagte befindet sich auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom ....01.2013, welchen die Kammer nach Anklageerhebung am 19.04.2013 mit Beschluss vom 25.06.2013 abgeändert und neu gefasst hat, in Untersuchungshaft.
Mit Beschluss vom 14.03.2013 hatte der Ermittlungsrichter u.a. angeordnet, dass der Empfang von Besuchen der Erlaubnis bedarf und die Besuche zu überwachen seien. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 06.01.2014 hat der Angeklagte u.a. beantragt, diese Überwachung aufzuheben, soweit sie Besuche seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau, A, und seiner Tochter, B, betrifft.
Der (stellvertretende) Vorsitzende der 21. Strafkammer hat mit Vermerk vom 13.01.2014 "der Beschwerde, soweit sie die Überwachung der Besuche betrifft, nicht abgeholfen" und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts ist nicht veranlasst. Der nach § 126 II 3 StPO zuständige Vorsitzende hat zunächst über den Aufhebungsantrag zu entscheiden. Erst wenn gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt werden sollte, ist der Senat zur Entscheidung berufen.
Mit der Erhebung der öffentlichen Klage, geht die Zuständigkeit für die Haftkontrolle vom Ermittlungsrichter gem. § 126 II 1 StPO auf das mit der Sache befasste Gericht und über angeordnete Beschränkungen auf dessen Vorsitzenden (§ 126 II 3 StPO) über. Es ist anerkannt, dass unerledigte Beschwerden gegen den Haftbefehl in einen Antrag umzudeuten sind. Ähnliches gilt für unerledigte Beschwerden gegen eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO (OLG Stuttgart, NStZ-RR 2003, 142), gegen die Anordnung des dinglichen Arrestes gem. §§ 111d, 111e StPO (Senat, StV 2008; OLG Jena, wistra 2010, 80) und die Beschlagnahme gem. §§ 98 II 3, 162 (OLG Karlsruhe, Justiz 1998, 130). Diese sind in Anträge in Aufhebung der belastenden Maßnahme umzudeuten (vgl. nur Meyer-Goßner, § 162 Rn 19). Erstmals nach Anklageerhebung erhobene Beschwerden sind erst Recht in Haftprüfungs- bzw. Aufhebungsanträge umzudeuten (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.10.2003 - 1 Ws 281/03 = BeckRS 2003, 30330935). Die Strafprozessordnung enthält zwar keine allgemeine Verfahrensvorschrift für den Fall, dass nach Übergang der Zuständigkeit durch Anklageerhebung bei Fortdauer der Anordnungen des Ermittlungsrichters zunächst eine Entscheidung des nunmehr befassten Gerichts ergehen muss, bevor die Beschwerde eröffnet ist. Aus den genannten Regelungen ist aber dahingehender allgemeiner Rechtsgedanke zu entnehmen (OLG Jena und OLG Stuttgart jew. aaO.). Dieser gilt entgegen der Ansicht des stellvertretenden Vorsitzenden und der Generalstaatsanwaltschaft auch für Beschränkungen nach § 119 I StPO, welche der Haftrichter angeordnet hat.
Selbst wenn man mit einer früher vertretenen Auffassung annähme, die Anordnung des Ermittlungsrichters gelte nach Anklageerhebung als solche des nunmehr zuständigen Gerichtes fort (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ 1984, 183), ist es sachlich nicht gerechtfertigt, dem nunmehr zuständigen Gericht eine bloße verfahrensintern bleibende Nichtabhilfeentscheidung zu überlassen (vgl. KG, NStZ 2000, 444). Überdies müsste sich bei konsequenten Zuendedenken des Zurechnungsgedankens der Kammervorsitzende einer Nichtabhilfeentscheidung gänzlich enthalten, wenn diese vor dem Zuständigkeitswechsel vom Ermittlungsrichter bereits getroffenen wurde, so dass die Gegenauffassung dazu führen kann, dass dem nach Anklageerhebung zuständigen Gericht bzw. seinem Vorsitzenden jede eigene Entscheidungszuständigkeit genommen würde (vgl. OLG Stuttgart, BeckRS 2003, 30330935), obwohl er gehalten ist, bei Entfallen der Voraussetzungen von verfahrenssichernden belastenden Maßnahmen, namentlich der Beschränkungen nach § 119 I StPO, diese von Amts wegen aufzuheben (vgl. BGH, StV 2012, 419).
Auch aus § 119 V 1 StPO lässt sich nicht Gegenteiliges herleiten. Der dort genannte, gegenüber der Beschwerde subsidiäre Antrag auf gerichtliche Entscheidung betrifft ausschließlich Fälle, in denen gegen gerichtliche Beschränkungen, die dem Unters...