Leitsatz (amtlich)

Soll einem Angeklagten ein weiterer Pflichtverteidiger bestellt werden, so genügt eine bloße Mitteilung diesbezüglich mit dem Hinweis auf die Verfahrenssicherung nicht. Vielmehr ist der Richter verpflichtet, den Angeklagten dazu anzuhören und ihm gegebenenfalls eine Äußerungsfrist zu setzen, innerhalb derer er einen Anwalt seinen Vertrauens benennen kann. Die Aufgabe des zweiten Pflichtverteidigers kann nicht allein auf die Verfahrenssicherung beschränkt werden; sie muss in gleicher Weise die sachgerechte Verteidigung des Betroffenen gewährleisten und bedarf daher der Abstimmung.

 

Normenkette

StPO §§ 140, 142 Abs. 1 S. 3; GG Art. 3 Abs. 1; EMRK Art. 6 Abs. 3; StPO § 142

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Entscheidung vom 20.02.2009; Aktenzeichen Verfügung - 14 Ns - 670 Js 26044/07)

LG Darmstadt (Entscheidung vom 24.11.2008)

 

Tenor

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

 

Gründe

I.

Dem Angeklagten legt die Staatsanwaltschaft mit Anklage vom 18.12.2007 gewerbsmäßigen Betrug in 15 Fällen und Urkundenfälschung zur Last. Mit Vollmacht vom 27.8.2007 meldete sich für ihn Rechtsanwalt Döring als Verteidiger. Mit Schriftsatz vom 14.1.2008 beantragte Rechtsanwalt Döring dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden und kündigte für den Fall der Beiordnung an, das Wahlmandat niederzulegen. Dem Antrag wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 22.07.2008 entsprochen.

Der Angeklagte wurde durch das Amtsgericht Darmstadt am 22.07.2008 - unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Darmstadt vom 30.03.2006 - wegen gewerbsmäßigen Betruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Daneben wurde er wegen (weiteren) gewerbsmäßigen Betruges in vier Fällen und wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt.

Gegen das Urteil legte der Angeklagte Berufung ein.

Am 21.08.2008 bat Rechtsanwalt Döring den Vorsitzenden der Berufungskammer von einer Terminierung am 09.10.2008 um 13.00 Uhr abzusehen, weil er vor dem Schöffengericht in Darmstadt um 14:00 Uhr bereits einen Termin habe. Der Vorsitzende terminierte auf den 24.11.2008; im Hinblick auf das in erster Instanz abgelegte Geständnis des Angeklagten wurde nur ein Verhandlungstag anberaumt und keine Zeugen geladen

Nachdem der Angeklagte am 24.11.2008 zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen schwieg, mussten weitere Verhandlungstage bestimmt werden.

Mit Beschluss vom 24.11.2008 bestellte der Vorsitzende "als weiteren Verteidiger gem. § 140 StPO Rechtsanwalt Krüger, da der geordnete Ablauf des Verfahrens wegen der gerichtsbekannt schwierigen Terminskoordination mit dem Pflichtverteidiger Rechtsanwalt Döring anders nicht sichergestellt werden kann".

Dagegen legte der Angeklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28.11.2008 Beschwerde ein und beantragte,

die Pflichtverteidigerbestellung aufzuheben,

weil ihm kein rechtliches Gehör gewährt worden sei und es auch zu keinen Terminsproblemen mit Rechtsanwalt Döring komme.

Nachdem am 11.12. , 30.12.2008, 12.01. und 2.2.2009 weitere Termine stattfanden, an denen sowohl Rechtsanwalt Döring als auch Rechtsanwalt Krüger teilgenommen hatten, verwarf die Kammer am 02.02.2009 die Berufung mit der Maßgabe, dass der Angeklagte unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Darmstadt vom 30.03.2006 wegen gewerbsmäßigen Betruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten und wegen gewerbsmäßigen Betruges in drei Fällen sowie wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt wurde.

Mit Verfügung vom 20.2.2009 half der Vorsitzende der Beschwerde nicht ab und führte unter anderem zur Begründung an, dass er dem Angeklagten am Ende des ersten Verhandlungstages mitgeteilt habe, ihm einen zweiten Pflichtverteidiger zu bestellen.

II.

Die Beschwerde des Angeklagten ist nach § 304l StPO statthaft, insbesondere steht ihr nicht § 305 StPO entgegen (st. Rspr. des Senats vgl. Beschluss vom 8.2.2005 - 3 Ws 89/05 und vom 24.5.2000 - 3 Ws 532/00; Meyer-Goßner, StPO, Aufl. § 143 Rdn 19) Da die Pflichtverteidigerbestellung bis zur Rechtskraft des Urteils wirkt, ist auch keine prozessuale Überholung durch das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 02.02.2009 eingetreten.

Die Beschwerde ist begründet.

Nach § 142 Abs. 1 S. 3 StPO soll einem Beschuldigten möglichst der von ihm als der Anwalt seines Vertrauens bezeichnete Rechtsanwalt als Verteidiger beigeordnet werden. Diesem Umstand kommt in der Regel besondere Bedeutung zu (Senat , Beschluss vom 8.2.2005 - 3 Ws 89/05; OLG Hamm, Beschluss vom 21.6.1999 - 2 Ws 187/99, NStZ 1999, 531) Dem trägt § 142 Abs. 1 S. 2 StPO dadurch Rechnung dass dem Beschuldigten Gelegenheit gegeben werden soll, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Rechtsanwalt zu bezeichnen

Die Vorschriften der StPO über die notwendige Mitwirkung und die Bestellung eines Verteidigers im Strafverfahren ( §§ 140 ff. StPO) stellen sich als Konkretisierungen des...

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