Verfahrensgang
LG Gießen (Beschluss vom 23.02.1999; Aktenzeichen 2 O 80/99) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der ohne Datum ergangene Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen, mit dem der Eilantrag vom 23.2.1999 zurückgewiesen worden ist, abgeändert.
Den Antragsgegnern wird es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 500.000,– DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs … an der … wie auf den nachstehenden Lichtbildern dargestellt mit einer aufgehängten, drehbaren und beleuchtbaren Werbesäule zu werben:
Die Kosten des Eilverfahrens haben die Antragsgegner zu tragen.
Beschwerdewert: 50.000,– DM.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Der Eilantrag ist zulässig, ihm fehlt insbesondere nicht die Dringlichkeit. Zwar haben die Antragsgegner glaubhaft gemacht, daß die umstrittene Werbesäule bereits vor 12 Monaten aufgestellt worden ist. Die Antragsteller haben ihrer eidesstattlichen Versicherung zufolge aber erst im Januar 1999 anläßlich eines Mandantenbesuchs Kenntnis von der angegriffenen Werbemaßnahme erlangt. Bereits am 7.1.1999 ist der angegriffene Wettbewerbsverstoß abgemahnt worden. Bei dieser Sachlage ist die Vermutung der Dringlichkeit (§ 25 UWG) nicht widerlegt.
2. Die angegriffenen Werbemaßnahme verstößt unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch gegen § 1 UWG.
a) Im Ausgangspunkt ist dem angefochtenen Beschluß darin zu folgen, daß die Werbung der Antragsgegner inhaltlich nicht zu beanstanden ist. Weder die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten noch die Verwendung des Paragraphenzeichens stellen eine unsachliche oder auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtete Werbung dar. Die genannten Angaben verstoßen als solche nicht gegen § 43 b BRAO und sind damit zulässige Elemente einer in der Sache nicht zu beanstandenden Anwaltswerbung. Das gilt auch für die farbliche Aufmachung des Werbeschildes als solche. Insbesondere ist die Verwendung des Paragraphenzeichens aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses, denen sich der Senat anschließt (§ 543 ZPO), nicht zu beanstanden.
b) Wie der Senat aber bereits erkannt hat (Urteil vom 25.1.1996, NJW 1996, 1065), kann das in § 43 b BRAO niedergelegte Gebot der Sachlichkeit anwaltlicher Werbung verletzt werden, wenn durch die Art der Plazierung oder die sonstige Gestaltung einer Werbemaßnahme diese den Charakter einer anreißerischen und reklamehaften Selbstanpreisung gewinnt. Mit der Neufassung des § 43 b BRAO sind derartige Werbeformen nicht freigegeben worden. Zwar ist im Gesetzgebungsverfahren die ursprüngliche Fassung des § 43 b n.F. BRAO, derzufolge die anwaltliche Werbung nur zulässig sein sollte, wenn sie nicht reklamehaft ist, durch die Fassung ersetzt worden, daß die Werbung in Form und Inhalt sachlich sein muß. Mit dieser Formulierungsänderung wollte der Rechtsausschuß jedoch nur erreichen, daß das auch vom Regierungsentwurf verfolgte Ziel, in bezug auf die Werbemethoden der Anwaltsschaft das Sachlichkeitsgebot zu verankern, besser verwirklicht wird (BT-Drucks. 12/7656 S. 8, 48). Eine inhaltliche Änderung der Rechtslage war mit der abgeänderten Fassung des § 43 b BRAO n.F. daher nicht beabsichtigt. Vielmehr wurde klargestellt, daß sich anwaltliche Werbung nicht nur in ihrem Inhalt, sondern auch in ihrer Form auf sachliche Angaben zu beschränken, also reklamehafte Selbstanpreisungen zu vermeiden hat.
Unter Berücksichtigung diese Grundsätze verstößt die angegriffene Werbemaßnahme gegen das Sachlichkeitsgebot des § 43 b BRAO und damit gegen § 1 UWG. Durch die Plazierung der inhaltlich nicht zu beanstandenden Werbung auf einer drehbaren Werbesäule zwischen der Werbung für einen ambulanten Pflegedienst und einem Friseur vor einer Tankstelle und einem Autohaus, deren Werbung wie die angegriffene Werbemaßnahme im wesentlichen auf gelbem Grund erfolgt, wird die angegriffene Werbung optisch, nämlich durch die Plazierung der Werbesäule wie durch ihre farbliche Gestaltung, in die Werbung für das Autohaus und die Tankstelle integriert und erhält damit einen eindeutig reklamehaften Zug; sie wirkt plakativ-selbstanpreisend wie die werblichen Hinweise auf das Autohaus, die Tankstelle und die sonstigen mit der Werbetafel beworbenen Unternehmen und verstößt damit gegen das Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung (§ 43 b BRAO).
Soweit in der Literatur unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten (Art. 12 GG) Bedenken dagegen erhoben worden sind, aus der Plazierung einer anwaltlichen Werbung auf einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot des § 43 b BRAO zu schließen (Huff MDR 1999, 464 ff, 465, 466 bei Fn. 14 und 30), kann der Senat dem nicht folgen. § 43 b BRAO n.F. und die auf der Grundlage des § 59 b BRAO ergangene Berufsordnung lassen erkennen, daß insbesondere die Anwaltswerbung auf sachliche Informationen über die berufliche Betätigung beschränkt und deshalb von allen Elementen der Anpreisung und Reklame f...