Leitsatz (amtlich)
Der Verurteilte ist zur Erstattung der Kosten für kriminalprognostische Gutachten, die im Verfahren auf Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe anfallen, verpflichtet, da sie Teil des Vollstreckungsverfahrens und damit Verfahrenskosten sind. Ein Absehen von der Kostentragung aus Billigkeitserwägungen bei Bestätigung einer günstigen Prognose im Rahmen des Gutachtens ist nicht möglich. Die Verjährungsfrist der Ansprüche des Staates gegen den Verurteilten beträgt vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Jahres der Fälligkeit und Kenntnis von dem Anspruch.
Normenkette
GKG § 5 Abs. 1, 3; StGB § 57; StPO § 464a Abs. 1 S. 2, § 465 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Kassel (Entscheidung vom 11.05.2009) |
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Kassel vom 11. Mai 2009 wird, soweit ihr nicht bereits durch Beschluss vom 20. Juli 2009 abgeholfen worden war, zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Das Landgericht Kassel hatte den Verurteilten am 8. Mai 2002 kostenpflichtig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Die Strafverbüßung erfolgte in ....
Am 11. August 2004 lehnte das Landgericht Göttingen durch Beschluß eine bedingte Entlassung zum ½ Strafzeitpunkt ab. Zuvor war ein Gutachten des Sachverständigen Dr. SV1 eingeholt worden, für das der Gutachter am 26. Juni 2004 der Staatskasse 2.209,51 EUR in Rechnung stellte.
Mit Beschluß des Landgerichts Göttingen vom 20. Mai 2005 wurde der Verurteilte bedingt entlassen. Zuvor war erneut ein Gutachten des Sachverständigen Dr. SV1 eingeholt worden, für das der Gutachter am 16. Juni 2005 der Staatskasse (nach Berichtigung) 1.222,64 EUR in Rechnung stellte.
Die Gesamtgutachterkosten in Höhe von 3.432,15 EUR und Zustellungskosten in Höhe von 28,10 EUR wurden von der Staatsanwaltschaft Kassel am 20. Februar 2009 dem Verurteilten gegenüber in Ansatz gebracht.
Die hiergegen eingelegte Erinnerung des Verurteilten, in der er die Einrede der Verjährung erhoben hat, hat das Landgericht Kassel durch Beschluss vom 11. Mai 2009 zunächst als unbegründet verworfen. Auf die Beschwerde des Verurteilten vom 16. Juni 2009 hat es mit Abhilfebeschluss vom 20. Juli 2009 die angefochtene Kostenrechnung insoweit aufgehoben, als ein über 1.250,74 EUR (1.222,64 EUR zzgl. 28,10 EUR) hinausgehender Betrag geschuldet ist und die Zahlungspflicht insoweit entfallen lassen.
Mit Schreiben vom 3. August 2009 hat der Verurteilte klargestellt, dass die Beschwerde sich nur noch gegen die Kostenforderung in Höhe von 1.250,74 EUR richtet und ergänzend geltend gemacht, dass die ihm gegenüber in Ansatz gebrachten Gutachterkosten aus dem Vollstreckungsverfahren keine Kosten des Verfahrens im Sinne des § 464a Abs. 1 Satz 2 StPO seien.
II.
Das nach § 66 Abs. 2 GKG zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.
1.
Der Verurteilte ist zur Erstattung der Kosten für das kriminalprognostische Gutachten in Höhe von 1.250,74 EUR (1.222,64 EUR zzgl. 28,10 EUR) verpflichtet, da sie Teil des Vollstreckungsverfahrens und damit Verfahrenskosten gemäß § 464 a Abs. 1 Satz 2 StPO sind.
Wie der Senat (vgl. OLG Frankfurt Beschluss vom 04.12.2008 - Akz. 2 Ws 176/08 m.w.N.) bereits entschieden hat, beruht das Kostenrecht auf dem Prinzip, dass den Verursacher der Kosten die Verpflichtung trifft, diese zu tragen (vgl. BVerfG , Beschluss vom 27. Juni 2006, 2 BVR 1392/02). Die Verpflichtung, die Kosten aus seinem delinquenten Verhalten zu tragen, ist dem Verurteilten gegenüber mit Urteil vom 8. Mai 2002 ausgesprochen worden. Mit der dort getroffenen abschließenden Kostengrundentscheidung nach § 465 Abs. 1 StPO sind auch die Folgekosten der nachfolgenden Vollstreckung erfasst.
Darunter fallen auch die Kosten der Entscheidung über die Aussetzung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung nach § 57 StGB und damit auch die Gutachterkosten der gesetzlich angeordneten Prognoseentscheidung gem. § 454 Abs. 2 StPO. Auch diese Kosten sind letztlich Folge des delinquenten Verhaltens des Verurteilten und daher von ihm zu tragen.
Der Verurteilte ist auch nicht in entsprechender Anwendung von § 465 Abs. 2 StPO aus "Billigkeitserwägungen" von der Kostentragung befreit, wenn das Gutachten eine günstige Prognose bestätigt. Für eine entsprechende Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO ist vorliegend kein Raum, da es schon an einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke fehlt und diese Vorschrift einen anderen Sachzusammenhang regelt, der auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar ist.
§ 465 Abs. 2 StPO ist eine Ausnahmeregelung für "besondere Auslagen", die zwar im Verfahren gegen den Angeklagten begründet wurden, die sich, wie Satz 2 der Vorschrift ausdrücklich anordnet, aber i.E. nicht in einem Schuldvorwurf gegen den Angeklagten niedergeschlagen haben (vgl. BGHR § 465 Abs. 2 Billigkeit 1, 2; KK-Gieg, 6. Aufl. § 465 Rdn.5 m.w.N. ). Es sind also "besondere Auslagen", die sich gerade nicht auf delinquentes Verhalten des Angeklagten zurückführen lassen, aber aus Rechtsgrü...