Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzuständigkeit. erstinstanzliches Gericht. weitere sofortige Beschwerde. Ausnahmefall
Leitsatz (amtlich)
Eine "weitere sofortige Beschwerde" ist unzulässig, wenn anstelle der zuständigen Strafvollstreckungskammer das Amts- und in der Beschwerdeinstanz das Landgericht über einen Bewährungswiderruf entschieden haben.
Normenkette
StPO § 310
Verfahrensgang
LG Kassel (Entscheidung vom 20.09.2016; Aktenzeichen 2 Qs 151/16) |
Tenor
Die (sofortige) Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Kassel - 2. Große Strafkammer - vom 20. September 2016 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Verurteilten, ihm einen Verteidiger beizuordnen, wird zurückgewiesen.
Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Amtsgerichts O1 vom 6.8.2009 wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt. Am 27.12.2010 bildete das Amtsgericht O1 aus den in den Urteilen des Amtsgerichts O1 vom 6.8.2009 und 17.6.2010 festgesetzten Einzelstrafen nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren. Zur Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe sowie weiteren Strafen wurde der Verurteilte, der sich bereits ab dem 22.3.2009 in Untersuchungshaft befand, in der JVA O1 aufgenommen.
Nach Zurückstellung der Restvollstreckung nach § 35 BtMG, setzte das Amtsgericht O1 den Rest der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts O1 vom 27.10.2010 durch Beschluss vom 18.9.2013 zur Bewährung aus.
Am 3.6.2016 widerrief das Amtsgericht O1 die Strafaussetzung zur Bewährung. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten verwarf das Landgericht Kassel mit Beschluss vom 20.9.2016. Dagegen wendet sich der Verurteilte mit seinem Schreiben vom 2.2.2017, indem er die Aufhebung der Entscheidungen begehrt und seine sofortige Entlassung aus der Strafhaft.
II.
Die als "weitere sofortige Beschwerde" zu behandelnde Eingabe des Verurteilten gegen die Entscheidung des Landgerichts Kassel vom 20.9.2016 ist unzulässig.
Das gem. § 73 Abs. 1 GVG zuständige Landgericht hat auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Amtsgerichts O1 vom 3.6.2016 entschieden. Beschlüsse, die auf die sofortige Beschwerde hin erlassen worden sind, können nicht mehr angefochten werden. Eine weitere sofortige Beschwerde gibt es nicht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 311 Rn.1).
Das Rechtsmittel ist auch nicht ausnahmsweise zulässig, weil weder das Amtsgericht noch das Landgericht funktionell zuständig waren. Denn die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kassel war gemäß § 462a Abs. 1 S. 2, Abs. 4 Satz 1 und 3 StPO mit der Aufnahme des Verurteilten in der JVA O1 zur Verbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe für die Überwachung der Strafaussetzung zur Bewährung aus allen Verurteilungen zuständig geworden und es nach seiner Entlassung aus der Strafhaft geblieben (BGH, Beschluss vom 9.5.2001 - ARs 101/01, zitiert nach juris). Diese allgemeine Fortsetzungszuständigkeit wird durch die Regelung des § 36 Abs. 5 BtMG nicht aufgehoben.
Soweit der Senat die Auffassung vertreten hat, dass eine weitere sofortige Beschwerde ausnahmsweise statthaft ist, wenn, wie hier, für den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung weder das Amtsgericht noch das Landgericht sachlich oder funktionell zuständig waren (vgl. Senat, Beschluss vom 26.10.2007 - 3 Ws 1067/07 -; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 310 Rdnr. 2 m.N.), hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest, sondern schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Thüringer Oberlandesgerichts Beschluss vom 5.2.2015 - 1 Ws 548/14, zitiert nach juris) und des Oberlandesgerichts Naumburg, Beschluss vom 13.4.2010 - 1 Ws 108/10, zitiert nach juris, an.
III.
Der Antrag des Verurteilten, ihm einen Verteidiger beizuordnen, war zurückzuweisen.
Im Vollstreckungsverfahren ist in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 StPO die Mitwirkung eines Verteidigers erforderlich, wenn die Sach- oder Rechtslage schwierig oder der Verurteilte unfähig ist, seine Rechte sachgerecht selbst wahrzunehmen. Insoweit ist aber nicht auf die Schwere oder Schwierigkeit im Erkenntnisverfahren, sondern auf die Schwere des Vollstreckungsfalles für den Verurteilten oder auf besondere Schwierigkeiten der Sach- oder Rechtslage im Vollstreckungsverfahren abzustellen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. § 140 Rn. 33 m.N.).
Nach diesem Maßstab ist die Mitwirkung eines Verteidigers vorliegend nicht erforderlich. Die Sach- und Rechtslage weist keine besondere Schwierigkeit auf und es ist nicht ersichtlich, dass der Verurteilte selbst nicht zur Wahrnehmung seiner Rechte in der Lage wäre.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
Fundstellen
Haufe-Index 10857179 |
NStZ-RR 2017, 252 |