Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückführung des Kindes zu den Eltern nach Wegfall der Gefahr für das Kindeswohl
Normenkette
BGB § 1666
Verfahrensgang
AG Groß-Gerau (Entscheidung vom 13.10.2017; Aktenzeichen 72 F 1131/16) |
Tenor
Die Beschwerden gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Groß Gerau vom 13.10.2017 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es bei der Anordnung unter Ziffer 3 der angefochtenen Entscheidung verbleibt, jedoch weitere familiengerichtlichen Maßnahmen nicht erforderlich sind.
Gerichtskosten werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren: 3.000,- EUR.
Gründe
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht - Familiengericht - Groß-Gerau den mit Beschluss vom 13.9.2016 erfolgten Entzug der elterlichen Sorge für das Kind A aufgehoben und die Rückführung des bei Pflegeeltern lebenden Kindes angeordnet sowie den beteiligten Eltern aufgegeben, öffentliche Hilfen in Anspruch zu nehmen. Wegen der Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
Gegen diese Entscheidung haben sowohl die Verfahrensbeiständin als auch - letzterer nach Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung durch den Senat - der Ergänzungspfleger Beschwerde eingelegt. Beide vertreten die Auffassung, dass im Hinblick auf die ungeklärten Vorgänge, die zur gesundheitlichen Schädigung von A geführt haben, und den nicht ausgeräumten Verdacht, dass die Eltern A geschüttelt haben könnten, eine Rückführung von A in den elterlichen Haushalt nicht möglich sei. Es habe vielmehr bei der Fremdplatzierung und dem Entzug der elterlichen Sorge zu verbleiben. Beide berufen sich insoweit auf das in erster Instanz eingeholte Sachverständigengutachten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründungen Bezug genommen. An dieser Auffassung haben die Beschwerdeführer auch nach den Erörterungen in der mündlichen Anhörung vor der beauftragten Richterin des Senats vom 6.12.2017 festgehalten.
Die Auffassung der Verfahrensbeiständin und des Ergänzungspflegers wird auch von dem in Obhut nehmenden Jugendamt der Stadt2 unterstützt.
Sowohl die Eltern als auch der Allgemeine Soziale Dienst des zuständigen Jugendamtes des Kreises Stadt1 sind den Beschwerden entgegengetreten und haben sich für eine Rückführung des Kindes zu den Eltern ausgesprochen.
Nachdem der Senat die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung aufgehoben hatte, wurde die Rückführung wie in der mündlichen Anhörung vom 6.12.2017 erörtert, durchgeführt.
A lebt zwischenzeitlich wieder bei ihren Eltern und wurde dort von der beauftragten Richterin des Senats am 26.3.2018 aufgesucht.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Vermerk der beauftragten Richterin vom 26.3.2018 verwiesen.
Die gemäß § 58 ff FamFG zulässigen Beschwerden sind zurückzuweisen, da die Voraussetzungen, unter denen ein Eingriff in die elterliche Sorge und insbesondere die Trennung des Kindes von den Eltern erfolgen kann, nicht (mehr) vorliegen.
Voraussetzung für die Ergreifung familiengerichtlicher Maßnahmen in Bezug auf die elterliche Sorge ist nach § 1666 Abs. 1 BGB, dass das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet sind und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden. Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nach § 1666 a Abs. 1 S. 1 BGB nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werde kann.
Eine staatliches Eingreifen rechtfertigende Gefährdung des Kindeswohls ist dann gegeben, wenn bei weiterer unbeeinflusster Entwicklung der vorliegenden Umstände der Eintritt eines Schadens oder die Verfestigung eines bereits eingetretenen Schadens im Sinne einer Störung der Entwicklung des Kindes mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist (vgl. die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, z.B. BVerfG FamRZ 2017, 524). Eine solche Störung ist anzunehmen, wenn die Entwicklung des Kindes von seiner, unter Beachtung der milieubedingten Gegebenheiten, als normal zu erwartenden Entwicklung nachhaltig zum Nachteil des Kindes abweicht, insbesondere also bei körperlicher oder emotionaler Vernachlässigung oder Verwahrlosung des Kindes, bei wiederholten körperlichen Übergriffen gegen das oder in Gegenwart des Kindes oder bei Verhaltensauffälligkeiten des Kindes, die Folge eines Erziehungsunvermögens der Eltern sind. Die bloße Möglichkeit des Eintritts entsprechender Entwicklungsstörungen im Falle eines nicht auszuschließenden Verhaltens der Eltern reicht für einen staatlichen Eingriff in die elterliche Sorge nicht aus. Vielmehr setzt ein solcher Eingriff das Bestehen einer konkreten gegenwärtigen Gefährdungslage voraus, in welcher der Schadenseintritt mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist, wobei der heranzuziehende Prognosemaßstab großzügiger zu bemessen ist, je gravierender der zu befürchtende Schaden ist (BGH FamRZ...