Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert in "Scraping"-Verfahren in der Regel 6.000 EUR
Leitsatz (amtlich)
1. Der Streitwert in Verfahren, in denen aus der DSGVO Ansprüche auf Schadenersatz, Unterlassung und Auskunft wegen eines Scraping-Vorfalls auf einer Sozial-Media-Plattform geltend gemacht werden, ist in der Regel auf 6.000 EUR festzusetzen.
2. Bei Streitwertbeschwerden besteht kein Verschlechterungsverbot, so dass das Beschwerdegericht den Streitwert auch zu Lasten des Beschwerdeführers reduzieren kann.
Normenkette
GKG § 48 Abs. 1 S. 1; ZPO § 3
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 05.04.2023; Aktenzeichen 3 O 152/22) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die Streitwertfestsetzung im Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 05.04.2023 wird zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 6.000 Euro festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Kläger macht als Nutzer der Social-Media-Plattform "Plattform1" Ansprüche wegen behaupteter Verstöße der Beklagten, die die Plattform auf dem Gebiet der Europäischen Union betreibt, gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wegen sogenannten Scrapings geltend.
Der Kläger gab bei seiner Plattform1-Registrierung folgende Daten an: Vor- und Nachname, E-Mail-Adresse, Handynummer, Geburtsdatum und Geschlecht. Er stimmte den Nutzungsbedingungen der Beklagten zu, indem er die Schaltfläche "Registrieren" betätigte. Dabei wurde er auf die am Seitenende verlinkte Datenrichtlinie der Beklagten verwiesen. Nach dieser Richtlinie sind die Profildaten eines Nutzers (u.a. Name, Profil- und Titelbild, Geschlecht, Nutzername und Nutzer-ID) immer - auch für Personen außerhalb der Plattform - öffentlich einsehbar.
Da der Kläger es in Bezug auf die Suchbarkeits-Einstellungen bei der Standardeinstellung beließ, konnten sog. "Freunde des Nutzers" sein Profil mit den öffentlich einsehbaren Daten bei einer Suche mit seiner E-Mail-Adresse oder Telefonnummer über eine Suchfunktion der Beklagten auffinden.
Diese Suchfunktion machten sich unbekannte Dritte von Januar 2018 bis September 2019 zunutze. Sie generierten automatisiert strukturell Telefonnummern nachgebildete Ziffernfolgen und suchten damit auf Plattform1 nach Profilen, denen diese gegebenenfalls zugeordnet werden konnten. Im Fall einer Übereinstimmung sammelten sie automatisiert die auf den betreffenden Profilen veröffentlichten Daten (sog. Scraping) und verknüpften sie mit der jeweiligen Telefonnummer. Die gesammelten Daten (nebst der Telefonnummer) wurden im April 2021 in einer ungesicherten Datenbank veröffentlicht. Betroffen davon waren insgesamt rund 533 Millionen Nutzer der Beklagten, darunter der Kläger.
Der Kläger ließ die Beklagte mit anwaltlicher E-Mail vom 23.09.2021 zur Unterlassung, Auskunft, Zahlung von 500 Euro Schadensersatz und zum Abmahnkostenersatz aus einem Gegenstandswert von 8.501 Euro in Höhe von 887,03 Euro auffordern (vgl. Anlage K1, GA 56 ff.).
Den vom Kläger in der Klageschrift mit 11.000 Euro angegebenen Streitwert - von denen 10.000 Euro auf den Unterlassungsanspruch und 1.000 Euro auf den Schadensersatzanspruch entfallen - hat das Landgericht auf 6.500 Euro festgesetzt. Davon entfallen 1.000 Euro auf den Klageantrag zu 1, 500 Euro (50 %) auf den Klageantrag zu 2, insgesamt 4.500 Euro auf die Klageanträge zu 3 a) und b) und 500 Euro auf den Klageantrag zu 4. Zur Begründung des Wertes der Klageanträge zu 3 a) und 3 b) hat das Landgericht im Wesentlichen ausführt, der vom Kläger ("Beklagte" ist ersichtlich ein Schreibversehen) angegebene Wert von 10.000 Euro sei übersetzt. Bei nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten sei der Streitwert anhand aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Vermögensverhältnisse und Bedeutung der Sache, zu bemessen. Die Beklagte sei zwar ein multinationaler Konzern mit hohen Umsätzen. Auch sei die Bedeutung der Sache aufgrund der Vielzahl der vom Scraping betroffenen Personen für sie nicht unerheblich. Allerdings hätten die geltend gemachten Unterlassungsansprüche für die Gestaltung des Alltags und der Lebensweise des Klägers keine besonders hohe Bedeutung. Bei Abwägung der wechselseitigen Sphären ergebe sich ein Teilstreitwert von 4.500 Euro.
Dagegen richtet sich die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers (nachfolgend: Beschwerdeführer) aus eigenem Recht eingelegte Streitwertbeschwerde, mit der diese begehren, den Streitwert auf mindestens 11.000 Euro heraufzusetzen (GA 473 ff.).
Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 05.05.2023 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 68 Abs. 1 GKG zulässige Beschwerde, über die § 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 GKG durch den Einzelrichter zu entscheiden ist, ist unbegründet.
1. Der Streitwert des bezifferten Klageantrags zu 1 entspricht dem eingeklagten Mindestschadense...