Leitsatz (amtlich)

Generalpräventive Erwägungen können bei der Streitwertfestsetzung im Einzelfall, auch wenn dieser den Handel mit Markenplagiaten betrifft, keine Rolle spielen.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 09.09.2004; Aktenzeichen 2-3 O 256/04)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird hinsichtlich der Streitwertfestsetzung abgeändert. Der Streitwert des Eilverfahrens wird auf 30.000 Euro festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist Inhaberin einer Bildmarke ("X"), unter der sie Koffer, Taschen, Portemonnaies und ähnliche Waren vertreibt. Die entsprechend gekennzeichneten Waren, mit denen die Antragstellerin weltweit Umsätze i.H.v. mehreren Millionen Euro erzielt, haben den Ruf besonderer Exklusivität.

Der Antragsgegner betreibt in einem kleinen Ladengeschäft einen Einzelhandel mit Geschenk- und Elektroartikeln, Spiel- und Haushaltwaren sowie Schuhen und Taschen. Ein von der Antragstellerin beauftragter Testkäufer stellte fest, dass sich im hinteren Teil des schlauchartigen Geschäfts ein korbartiges Behältnis befand, in dem zwischen zahlreichen anderen Lederartikeln fünf bis sechs Täschchen mit einer der Marke der Antragstellerin ähnlichen Kennzeichnung zum Verkauf angeboten wurden.

Die Antragstellerin hat am 11.5.2004 beim LG eine auf Unterlassung, Sicherstellung der widerrechtlich gekennzeichneten Gegenstände und Auskunft gerichtete einstweilige Verfügung gegen den Antragsgegner erwirkt. Den Streitwert des Eilverfahrens hat das LG entsprechend der Anregung in der Antragsschrift auf 150.000 Euro festgesetzt.

Mit der am 17.6.2004 eingelegten Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen die Streitwertfestsetzung. Das LG hat der Beschwerde durch Beschluss vom 9.9.2004 nicht abgeholfen, den vom Antragsgegner gestellten Streitwertbegünstigungsantrag (§ 142 MarkenG) zurückgewiesen und die Sache dem erkennenden Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die nach § 25 Abs. 3 GKG zulässige Streitwertbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Der Streitwert orientiert sich allgemein an dem Interesse, das der Gläubiger bei Einleitung des Verfahrens (§ 4 ZPO) an der gerichtlichen Durchsetzung der geltend gemachten Ansprüche hat; dieses Interesse ist vom Gericht nach freiem Ermessen zu schätzen (§ 3 ZPO). Grundlagen für die Schätzung bei Schutzrechtsverletzungen können nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 232) zum einen der Wert des Schutzrechts und zum andern der sog. Angriffsfaktor, das heißt die Frage sein, in welcher Weise das Schutzrecht durch die beanstandete Verletzungshandlung beeinträchtigt wird. Der Angriffsfaktor wird - soweit es um die Bewertung des Unterlassungsanspruchs geht - grundsätzlich durch den Charakter und den Umfang der ohne das angestrebte Verbot drohenden weiteren Verletzungshandlungen und damit auch durch die Größe und Bedeutung des Unternehmens des Verletzers bestimmt, während den bereits festgestellten Verletzungshandlungen insoweit lediglich indizielle Bedeutung für die zu verhindernden weiteren Zuwiderhandlungen zukommt. Bei der Bewertung des Sicherstellungsanspruchs richtet sich der Angriffsfaktor dagegen maßgeblich nach Art und Umfang der bereits festgestellten Verletzungshandlungen, während bei der Bewertung des Auskunftsanspruchs neben dem Interesse an der Ermittlung des Verletzungsumfangs auch das Interesse des Schutzrechtsinhabers an der Verhinderung weiterer Verletzungshandlungen durch Dritte zu berücksichtigen ist.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall erscheint das Interesse der Antragstellerin am Erlass der einstweiligen Verfügung mit einem Betrag von 30.000 Euro angemessen bewertet.

Wie das LG im Nichtabhilfebeschluss zutreffend ausgeführt hat, ist der Wert der verletzten Marke im Hinblick auf deren besonderen Ruf und die mit ihr erzielten Umsätze als sehr hoch einzustufen. Dagegen kann der Angriffsfaktor im vorliegenden Fall - auch aus der Sicht der Antragstellerin bei Einreichung des Eilantrages - nur als niedrig angesehen werden. Im Hinblick auf die Größe und den Zuschnitt des vom Antragsgegner betriebenen Unternehmens sowie Art und Umfang der festgestellten Verletzungshandlungen wären die Interessen der Antragstellerin selbst bei Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens nur in - vergleichsweise - geringem Maße beeinträchtigt worden. Ebenso wenig war damit zu rechnen, dass beim Antragsgegner größere Mengen markenverletzender Ware sicherzustellen sein würden. Beim Auskunftsanspruch stand das - allerdings nicht unerhebliche - Interesse im Vordergrund, mit der verlangten Drittauskunft die Bezugsquelle des Antragsgegners zu stopfen. Die genannten Umstände rechtfertigen es, den Gesamtsstreitwert des Eilverfahrens auf 30.000 Euro festzusetzen.

Die Festsetzung eines höheren Streitwerts lässt sich auch nicht mit präventiven Gesichtspunkten rechtfertigen. Das Hanseatische OLG (OLG...

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