Leitsatz (amtlich)
Bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 400 Abs. 1 Ziff. 1 AktG ist die objektive Falschangabe in einem Aktionärsbrief nicht mehr tatbestandsmäßig, wenn es ihr an der erforderlichen Schädlichkeit oder Gefährlichkeit für die Aktionäre fehlt, weil eine unzutreffende Darstellung für deren Vermögensdispositionen irrelevant ist (AktG § 400 Abs. 1 Ziff. 1)
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Klageerzwingungsverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt, die auch ihre Auslagen und die den Beschuldigten hierdurch etwa entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.
Gründe
Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Anordnung, daß gegen die Beschuldigten wegen Vergehen nach §§ 400 Abs. 1 Ziff. 1 AktG; 263, 264 a, 22, 23 StGB die öffentliche Klage erhoben werde (§§ 170 Abs. 1, 172 Abs. 1, Abs. 2 StPO).
Der Beschuldigte zu 1) ist Aufsichtsratsmitglied, die Beschuldigten zu 2) und 3) sind Vorstandsmitglieder der "Commerzbank AG von 1870" (Altbank), deren Aktien die Antragstellerin als faktische Mehrheitsgesellschafterin zu 47% und die "Commerzbank AG" (Neubank) zu 37 % halten. Der Rest befindet sich im Streubesitz. Der Beschuldige zu 4) ist Justiziar der Neubank.
Nach Kriegsende 1945 wurden die Filialen der Altbank in Berlin geschlossen und der Besitz in der sowjetischen Besatzungszone bis 1949 enteignet. In den Westzonen wurde das Bankgeschäft nach kurzer Unterbrechung fortgeführt, seit 1947 auf Anordnung der Militärregierungen in neun Filialgruppen als unselbständige Teile der Altbank, die ihrerseits 1949 in Westberlin, als die Westmächte auch dort Bankgeschäfte zuließen, gemeinsam die (zuletzt so benannte) "Berliner Commerzbank AG" gründeten. Mit der Neustrukturierung der Niederlassungsbereiche durch das 1. Großbankengesetz beschlossen die Gesellschafter der Altbank 1952 die Ausgründung von drei Nachfolgegesellschaften, auf die das Vermögen der Altbank zur Fortsetzung der Bankgeschäfte übertragen wurde. Der in der Jahresbilanz betragsmäßig ausgewiesene Beteiligungsbesitz der Altbank zum 31.12.1951 entsprach der Summe der in den Einbringungsbilanzen der drei Nachfolgegesellschaften zum 01.01.1952 ausgewiesenen Beteiligungswerte. Die Aktionäre erhielten entsprechende Anteile an den drei Nachfolgegesellschaften. Ihr verbliebener Aktienbesitz an der Altbank repräsentierte die Hoffnung auf die Rückerstattung des enteigneten Ostvermögens. Auf der Grundlage des 2. Großbankengesetzes konnten sich die drei Nachfolgegesellschaften 1958 zur Neubank vereinen, mit der nach der Wiedervereinigung 1992 auch die "Berliner Commerzbank AG" verschmolz.
Zwischen der Antragstellerin und der Neubank wird in Zivilprozessen u. a. darüber gestritten , ob Ansprüche der Altbank aus der Benutzung des Namens "Commerzbank" durch die Neubank bestehen und ob die Vermögenswerte der Altbank in Westberlin in das Vermögen der Neubank gefallen sind. Die Antragstellerin behauptet, der Beteiligungsbesitz der Altbank an der "Berliner Commerzbank AG" sei 1951752 nicht auf die drei Vorläuferinnen der Neubank übertragen worden. Die Antragstellerin ist mit dieser Behauptung auch in zweiter Instanz unterlegen. Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. vom 17.01.2001 (21 U 232/99; LG Frankfurt a. M. - 3/11 O 162/97) ist Revision eingelegt.
In einem vom Beschuldigten zu 4) verfaßten Aktionärsbrief des Vorstandes der Altbank aus dem Februar 1997 wurden die Aktionäre umfassend über die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der Altbank seit 1945 und den Vermögensstand informiert. Danach habe sich die Hoffnung, enteignetes Ostvermögen im Zuge der Wiedervereinigung zurückzuerlangen, nicht erfüllt. Mit den hierzu ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht müßten die bis 1949 erfolgten Enteignungen als bestätigt angesehen werden. Die Altbank sei damit vermögenslos, wobei das durch das Registergericht von Amts wegen eingeleitete Löschungsverfahren durch zwei Aktionäre blockiert werde, die trotz der beendeten Abwicklung der Altbank eine Hauptversammlung zu erzwingen suchten. In dem Aktionärsbrief werden auch die gerichtlich erhobenen Ansprüche der Antragstellerin dargelegt. Wörtlich heißt es hier bezüglich des Beteiligungsbesitzes der Altbank an der "Berliner Commerzbank AG": " Diese Beteiligung ging zum 01.01.1952 mit dem übrigen in der Bundesrepublik bestehenden Gesellschaftsvermögen im Rahmen der Ausgründung auf die drei Nachfolgegesellschaften über. Sowohl in der Ausgründungsbilanz der Altbank zum 31.12.1951 als auch in den Einbringungsbilanzen der drei Nachfolgegesellschaften ist diese Beteiligung vermerkt. "
Die Antragstellerin wirft den Beschuldigten vor, objektiv unwahr und wider besseres Wissen behauptet zu haben, die Beteiligung der Altbank an der "Berliner Commerzbank AG" sei in den Ausgründungs- bzw. Einbringungsbilanzen ausdrücklich erwähnt. Den Aktionären habe damit die Beweisbarkeit der Übertragung dieser Bet...