Leitsatz (amtlich)
Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten sind regelmäßig keine Nebenforderung im Sinne des § 4 ZPO, wenn sie in einem anderen als dem streitgegenständlichen Klageverfahren entstanden ist.
Normenkette
ZPO § 36 ZPO
Tenor
Das Landgericht Kassel wird als das für den vorliegenden Rechtsstreit sachlich zuständige Gericht bestimmt.
Gründe
1. Die Klägerin nahm den Beklagten vor dem Amtsgericht Kassel auf Zahlung von 4.810,60 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Im Laufe des Rechtsstreits erweiterte sie die Klage um einen Betrag von 2.566,24 EUR nebst Zinsen. Dem liegen außergerichtliche Rechtsanwaltskosten betreffend ein einstweiliges Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main zugrunde (3-11 O 54/09). Das Amtsgericht hat sich mit einem nicht weiter begründeten Beschluss vom 11.12.2009 auf Antrag der Klägerin und nach Anhörung des Beklagten für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Kassel verwiesen. Das Landgericht hat sich ohne Anhörung der Parteien ebenfalls für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es meint, der Zuständigkeitsstreitwert liege unter 5.000 EUR, da es sich bei den im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten um Nebenforderungen handele. Eine Bindungswirkung entfalte der Verweisungsbeschluss nicht, da er offensichtlich unzutreffend sei und zudem keine Begründung enthalte.
2. Der Senat ist für die Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht zuständig (§ 36 I ZPO). Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung liegen vor. Verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt, § 36 I Nr. 6 ZPO.
Sachlich zuständig ist das Landgericht Kassel. Das folgt aus § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Nach dieser Bestimmung ist die von dem Amtsgericht ausgesprochene Verweisung für das Landgericht Kassel bindend. Zwar entfällt eine Bindungswirkung, wenn der Verweisungsbeschluss unter Verletzung des rechtlichen Gehörs ergangen ist oder ihm jegliche rechtliche Grundlage fehlt, so dass er als objektiv willkürlich erscheint. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs hat in dem amtsgerichtlichen Verfahren nicht stattgefunden. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts ist auch nicht willkürlich. Der Begriff der Willkür in dem vorgenannten Sinn ist objektiv zu bestimmen. Sie ist anzunehmen, wenn das Gericht von der Gesetzeslage bzw. der ganz einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum abweicht, ohne dies wenigstens gesehen und die eigene Auffassung begründet zu haben, ferner, wenn es die Tatsachen die der Verweisung entgegenstehen, völlig außer Betracht lässt. Ein bloßer Rechtsirrtum lässt demgegenüber die Bindungswirkung noch nicht entfallen (BGH NJW 1993, 1273; BayObLGZ 1993, 317 ff; KG MDR 1999, 438; OLG Frankfurt OLGR 2004, 411 f). Von diesen Grundsätzen ausgehend ist der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Kassel nicht objektiv willkürlich. Der Beschluss enthält zwar keine Begründung. Nach der Rechtsprechung des Senats ist das nur in einfach gelagerten Fällen entbehrlich, wenn nach dem Akteninhalt kein Zweifel daran aufkommen kann, auf welcher Grundlage die Verweisung ausgesprochen worden ist (Senat Beschluss vom 18.05.2007 - 14 U 15/07). Eine derartige Fallgestaltung ist hier gegeben. Die Klägerin hatte mit der Klageerweiterung in dem Schriftsatz vom 03.12.2009 die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Kassel beantragt. Der Beklagte hat dazu vorgetragen, er verschließe sich dem Verweisungsantrag nicht, wenn nunmehr aufgrund des Streitwertes das Landgericht zuständig sei. Es liegt auf der Hand, dass das Amtsgericht bei der danach ausgesprochen Verweisung die von ihm angenommene sachliche Unzuständigkeit auf den Zuständigkeitsstreitwert gestützt hat.
Es mag zwar zweckmäßig gewesen sein, in dem Verweisungsbeschluss auf die Frage einzugehen, ob die Klageerweiterung sich lediglich auf eine Nebenforderung bezieht. Die fehlende Auseinandersetzung damit stellt sich aber jedenfalls nicht als objektiv willkürlich dar, da der Zuständigkeitsstreitwert für den vorliegenden Rechtsstreit entgegen der Auffassung des Landgerichts über 5.000 EUR liegt.
Mit der Klage ebenfalls geltend gemachte vorgerichtliche Anwaltskosten bleiben zwar insoweit unberücksichtigt, als es sich um Kosten handelt, die als Nebenforderung geltend gemacht werden, § 4 I ZPO. Das entspricht allgemeiner Auffassung (OLG Frankfurt - 3. Zivilsenat - AGS 2006, 251; OLG Naumburg Beschluss vom 06.11.2006 - 4 W 34/06 - zit. n. iuris; LG Berlin JurBüro 2005, 427; Senat Beschluss vom 10.07.2009 - 14 UH 5/09; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 4, Rdn. 13; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 4, Rdn. 26; Musielak/Heinrich, ZPO, 7. Aufl., § 4, Rdn.16; Enders JurBüro 2004, 57 f; Steenbuck MDR 2006, 423).
Die Einordnung als Nebenforderung beruht darauf, dass der Anspruch auf Zahlung einer v...