Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweisung zwischen allgemeinem Zivilgericht und Familiengericht
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Beschluss, der eine Verweisung zwischen allgemeinem Zivilgericht und Familiengericht ausspricht ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG mit der sofortigen Beschwerde angreifbar. Für eine Zuständigkeitsbestimmung durch das Gericht gemäß den §§ 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO, 5 Abs. 1 Ziffer 4 FamFG ist daneben kein Raum mehr.
2. Für eine - deklaratorische - Zuständigkeitsbestimmung in analoger Anwendung des § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO (i.V.m. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG) ist nur dann Raum, wenn anderenfalls eine funktionierende Rechtspflege nicht mehr gewahrt wäre, weil es innerhalb eines Verfahrens und im Rahmen eines negativen Kompetenzkonfliktes zu Zweifeln unter den Gerichten über die Bindungswirkung einer Verweisung gekommen ist und insbesondere ein extremer Verstoß gegen die einschlägigen gesetzlichen Regelungen vorliegt.
3. Bei der Prüfung, ob eine sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG vorliegt, ist das Tatbestandsmerkmal "im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung" weit auszulegen, so dass die Fälle auszuscheiden sind, in denen der familienrechtliche Bezug völlig untergeordnet ist (Anschluss an BGH, Beschluss v. 12.7.2017 - XII ZB 40/17).
Normenkette
FamFG § 5 Abs. 1, § 266 Abs. 1 Nr. 3; GVG § 17a Abs. 4; ZPO § 36
Verfahrensgang
AG Weilburg (Beschluss vom 21.04.2022; Aktenzeichen 211 AR 9/22) |
AG Limburg a.d. Lahn (Aktenzeichen 4 C 662/20) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Bestimmung der Zuständigkeit auf Vorlage des Amtsgerichts - Familiengericht - Weilburg wird abgelehnt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um Forderungen aus einem Mietverhältnis.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 1. waren verheiratet. Bei dem Antragsgegner zu 2. handelt es sich um den Sohn der Antragstellerin zu 1. aus einer früheren Beziehung. Der Mietvertrag wurde im Frühjahr 2020, spätestens im April 2020 geschlossen und von beiden Antragsgegnern unterschrieben. Die Ehe wurde am XX.XX.2017 geschlossen und auf den am 11.5.2020 eingegangenen Scheidungsantrag am 10.7.2020 durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Weilburg rechtskräftig geschieden.
Am 1.7.2020 ging bei dem Amtsgericht Limburg eine Klage auf Mietzinszahlung, Räumung und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten ein.
Unter dem 18.10.2021 wies das Amtsgericht Limburg die Beteiligten darauf hin, dass es sich für unzuständig halte, da es sich vorliegend um eine sonstige Familiensache i.S.v. § 266 I Nr. 3 FamFG handele. Es sei beabsichtigt, das Verfahren gem. § 17a II, VI GVG an das Familiengericht zu verweisen. Unter dem 25.10.2021 stellte der Kläger vorsorglich und hilfsweise einen Verweisungsantrag.
Mit Beschluss vom 4.2.2022 wurde das Verfahren an das für Familiensachen zuständige Amtsgericht Weilburg verwiesen. Der Beschluss wurde beiden Seiten zugestellt. Eine sofortige Beschwerde wurde seitens der Beteiligten nicht erhoben.
Unter dem 2.3.2022 beschloss das Amtsgericht Weilburg, dass die Übernahme des Verfahrens abgelehnt werde, die Verweisung erscheine grob missbräuchlich und willkürlich, insbesondere, weil es sich bei dem Antragsgegner zu 2. nicht um eine Person aus dem Kreis derjenigen Personen handele, die in § 266 I Nr. 3 FamFG genannt seien. Zudem gelte für den Antragsgegner zu 2. der ausschließliche Gerichtsstand des § 29a ZPO. Rechtliches Gehör wurde den Beteiligten vor Erlass des Beschlusses nicht gewährt. Der Beschluss wurde den Beteiligten nicht bekannt gemacht.
Mit Beschluss vom 7.3.2022 gab das Amtsgericht Limburg die Sache erneut an das Amtsgericht Weilburg ab. Unter dem 15.3.2022 wurde das Verfahren an das Amtsgericht Limburg zurückgesandt. Mit Verfügung vom 22.3.2022 wurde das Verfahren erneut an das Amtsgericht Weilburg zurückgesandt.
Unter dem 21.4.2022 hat das Familiengericht Weilburg das Verfahren dem Senat zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt. Es ist der Auffassung, die Verweisung entfalte keine Bindungswirkung nach § 17a II 3 GVG, da sie grob rechtsmissbräuchlich und willkürlich sei. Für den Antragsgegner zu 2. handele es sich nicht um eine Familiensache, er sei von dem in § 266 I Nr. 3 FamFG genannten Personenkreis nicht erfasst, und ihm sei es durch den Verweisungsbeschluss verwehrt, seine Rechte an dem für ihn ausschließlich zuständigen Gerichtsstand des § 29a ZPO geltend zu machen.
Der Beschluss wurde den Beteiligten bekannt gemacht. Rechtliches Gehör wurde vor Erlass nicht gewährt.
II. 1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Ziffer 6 ZPO (i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG) liegen nicht vor, da dieser nicht anwendbar ist. Denn nach der zum 1.9.2009 in Kraft getretenen Neuregelung des § 17a Abs. 6 GVG ist bei einem Streit über die Zuständigkeit innerhalb des Zivilrechtsweges ein Zuständigkeitsbestimmungsverfahren auf Vorlage eines Gerichts nicht mehr eröffnet. Vielmehr gelten die Absätze 1 - 5 des § 17 a GVG nach dem neugeschaffenen Abs. 6 dieser Vorschrift...