Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirkungen der Rücknahme eines öffentlichen Testaments aus amtlicher Verwahrung auf ein dieses in Bezug nehmendes Testament

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein öffentliches Testament in einer später errichteten letztwilligen Verfügung des Erblassers in Bezug genommen und in der Folge aus der amtlichen Verwahrung zurückgenommen, bleibt die bezugnehmende Verfügung wirksam, sofern und soweit sich ihr Inhalt aus sich heraus nach den allgemeinen Auslegungsregeln ermitteln lässt.

2. Für eine Auslegung der die Wirkungen eines Testamentswiderrufs entfaltenden Rücknahme eines öffentlichen Testaments aus der besonderen Verwahrung ist kein Raum, da eine solche keine formgerecht errichtete Verfügung von Todes wegen darstellt.

 

Normenkette

BGB §§ 2084, 2256

 

Verfahrensgang

AG Gelnhausen (Beschluss vom 21.11.2019)

 

Tenor

Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Die zur Erteilung des von der Beteiligten zu 1 unter dem 22.08.2018 beantragten Erbscheins, der sie als Alleinerbin des Erblassers ausweisen soll, erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.

Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Erbscheinsverfahrens hat die Beteiligte zu 1 zu tragen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Eine Erstattung von den Beteiligten für die Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahren etwa entstandenen notwendigen Aufwendungen findet nicht statt.

 

Gründe

I. Der Erblasser verstarb am XX.XX.2017 verwitwet und kinderlos. Seine Ehefrau ist am XX.XX.2005 vorverstorben. Seine Eltern sind gleichfalls vorverstorben. Der Erblasser hatte fünf Geschwister, darunter die Beteiligten zu 1 und 2. Ein Bruder des Erblassers war verstorben und hat vier Kinder hinterlassen. Eine Schwester des Erblassers ist nachverstorben (vgl. Bl. 46 ff. d. A.).

Das Nachlassgericht nahm am 28.02.2005 ein öffentliches Testament des Erblassers vom 25.02.2005 in besondere amtliche Verwahrung (vgl. Bl. 3 m. Rs. d. Testamentsakten zu ...).

Am 17.12.2012 nahm das Nachlassgericht ein weiteres öffentliches Testament des Erblassers vom 08.12.2012 in besondere amtliche Verwahrung (vgl. Bl. 7 der vorgenannten Testamentsakten).

In der Folge wurde am 03.01.2013 das Testament vom 25.02.2005 dem Erblasser von dem Nachlassgericht aus der amtlichen Verwahrung zurückgegeben (vgl. Bl. 8 der vorbezeichneten Testamentsakten).

Unter dem 18.02.2017 errichtete der Erblasser erneut ein öffentliches Testament (Bl. 7 ff. der Testamentsakten zu ...), das von dem Nachlassgericht am 29.12.2017 eröffnet worden ist.

In diesem nahm er Bezug auf sein vor demselben Notar errichtetes Testament vom 08.12.2012. Unter § 1 der Urkunde verfügte er im auszugsweisen Wortlaut wie folgt:

"Das genannte Testament [vom 08.12.2012] bleibt bestehen. Es wird nur eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass im Falle für das Vorversterben des von mir eingesetzten Erben ich einen Ersatzerben bestimmen will.

Ich setze deshalb hiermit zum Ersatzerben den Sohn der Erbin ein:

Herrn A [...]"

Jenes Testament, auf das wegen seiner Einzelheiten verwiesen wird, nahm das Nachlassgericht am 21.02.2017 in besondere amtliche Verwahrung.

Die Beteiligte zu 1 hat in Kopie ein Schreiben eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts vom 21.02.2017 (Bl. 230 m. Rs. d. A.) zu den Akten gereicht, welches das Aktenzeichen der Testamentsakten (...) trägt, in jenen Akten aber nicht enthalten ist.

In jenem an den Erblasser gerichteten Schreiben, auf das wegen seiner Einzelheiten Bezug genommen wird, wies der Urkundsbeamte darauf hin, dass bei dem Nachlassgericht bereits eine ältere Verfügung von Todes wegen verwahrt werde. Er machte u. a Ausführungen dazu, dass eine Rücknahme einer etwa aufgehobenen Verfügung mögliche Verwirrung und Unfrieden zwischen den Beteiligten vermeiden könne.

Am 07.03.2017 erschien der Erblasser bei dem Nachlassgericht und nahm sein Testament vom 08.12.2012 aus der besonderen amtlichen Verwahrung zurück. Auf die Niederschrift vom 07.03.2017 (Bl. 12 der Testamentsakten) wird insoweit Bezug genommen.

Die Beteiligte zu 1 hat mit öffentlicher Urkunde vom 22.08.2018 (Bl. 2 ff. d. A.) die Erteilung eines Erbscheins aufgrund testamentarischer Erbfolge beantragt, der sie als Alleinerbin des Erblassers ausweisen soll.

Sie hat dazu ausgeführt, sie sei in dem von dem Erblasser aus amtlicher Verwahrung zurückgenommenen Testament vom 08.12.2012 als Alleinerbin eingesetzt gewesen.

In dem Testament vom 18.02.2017, auf welches sie ihre Erbenstellung stützt, habe der Erblasser klar verfügt, dass das frühere Testament bestehen bleibe und nur eine Ergänzung betreffend die Einsetzung eines Ersatzerben vorgenommen werde. Der Erblasser habe ausschließlich aufgrund des Schreibens des Nachlassgerichts vom 21.02.2017 dort vorgesprochen und das Testament vom 08.12.2012 aus der Verwahrung genommen. Dies ergebe sich bereits aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Schreiben des Nachlassgerichts und der Rücknahme des Tes...

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