Leitsatz (amtlich)
Kein Anspruch eins verurteilten Straftäters auf Unterlassung einer Berichterstattung im Internet.
Normenkette
BGB §§ 823, 1004; GG Art. 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-03 O 479/06) |
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung die strafbewehrte Unterlassung, über ihn im Zusammenhang mit dem Mord an ... in identifizierender Weise, insbesondere bei voller Namensnennung, zu berichten. Er nimmt dabei Bezug auf zwei über die von der Antragsgegnerin verantwortete Internetseite "www...." aufgerufene Artikel vom 17.5.2000 und 8.6.2000, in denen über ihn berichtet wird.
Das LG hat den Antrag u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, bei den angegriffenen Artikeln handele es sich um eine ursprünglich zulässige Berichterstattung. Das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers werde nicht dadurch verletzt, dass die Artikel aus dem Jahr 2000 noch im Juli 2006 im Internet abrufbar waren. Die Antragsgegnerin sei zu einer Entfernung der Artikels nicht verpflichtet gewesen. Zum einen liege die rechtskräftige Verurteilung des Antragstellers erst 6 Jahre zurück; zum anderen müsse die Antragsgegnerin nicht ständig ihre Archive kontrollieren. Im Übrigen greife auch der vom BVerfG hervorgehobene Schutzgedanke der Resozialisierung bei dem zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilten Antragsteller nicht.
Gegen diesen ihm am 31.7.2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am selben Tag sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung weiter verfolgt. Er steht weiterhin auf dem Standpunkt, eine identifizierende Berichterstattung sei nicht mehr zulässig; es bestünde die konkrete Gefahr, dass über ihn zeitlich unbegrenzt berichtet werde. Auch gelte keine "Archivausnahme".
Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das LG hat zu Recht einen Anspruch des Antragstellers auf Unterlassung der beanstandeten Berichterstattung verneint.
Der von dem Antragsteller beispielhaft herangezogene Artikel "..." stammt vom 17.5.2000 und teilt mit, dass der BGH die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des LG als unbegründet verworfen habe und damit die gegen den Antragsteller verhängte lebenslange Haftstrafe rechtskräftig sei. Dabei gesteht der Antragsteller selbst zu, dass es sich zum damaligen Zeitpunkt um eine zulässige Berichterstattung handelte, die sein Persönlichkeitsrecht nicht verletzt. Gleiches gilt aber auch für den Artikel "..." vom 8.6.2000, der unter dem "Stichwort:..." erschienen ist und den Antragsteller - neben anderen - als Beispiel für eine Person anführt, die zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden sei. Dieser Artikel steht in Zusammenhang mit der Bestätigung des landgerichtlichen Urteils durch den BGH und war zum damaligen Zeitpunkt durch ein aktuelles Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt.
Dass auf diese Artikel auch noch im Juli 2006 über die Internetseite der Antragsgegnerin zugegriffen werden konnte, führt entgegen der Auffassung des Antragstellers auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG nicht dazu, dass der Antragsgegnerin untersagt werden könnte, über ihn wie aus den Artikeln ersichtlich zu berichten. In seiner sog. Lebach-Entscheidung hat das BVerfG entschieden, dass eine spätere Berichterstattung jedenfalls dann unzulässig ist, wenn sie geeignet ist, ggü. der aktuellen Information eine erheblich neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken, insbesondere seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu gefährden (BVerfG vom 5.6.1973, BVerfGE 35, 202 ff.). Von einer solchen späteren Berichterstattung, die zu einer neuen oder zusätzlichen Beeinträchtigung des Antragstellers führen würde, kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden.
Die Antragsgegnerin hat weder erneut einen Artikel über den Antragsteller in das Internet eingestellt noch sonst aktuell auf die alten Artikel Bezug genommen. Sie hat lediglich - ihrer Aufgabe als Archivarin der... entsprechend - die ursprünglich in der gedruckten Ausgabe der... enthaltenen Artikel in das Onlinearchiv gestellt und sie damit der interessierten Öffentlichkeit, die eine entsprechende Recherche betreibt, zur Verfügung gestellt. Dementsprechend fehlt es an einer aktuellen Berichterstattung.
Letztlich begehrt der Antragsteller die Löschung ursprünglich zulässiger Artikel in einem Archiv. Darauf hat er aber keinen Anspruch. Allein durch die Bereithaltung eines zu einem früheren Zeitpunkt erschienenen, zulässigen Artikels in einem Archiv wird der Betroffene nicht erneut "an das Licht der Öffentlichkeit gezerrt", da sich der Äußerungsgehalt lediglich in einem Hinweis auf eine in der Vergangenheit zulässige Berichterstattung erschöpft (vgl. KG, Beschl. v. 19.10.2001 - 9 W 132/01, KGReport Berlin 2002, 341). Dies gilt um so mehr, als die Artikel nicht ohne Weiteres zugänglich sind; der interessierte Nutzer mu...