Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe: Keine Übernahmehaftung der berechtigten Partei bei Vergleich
Normenkette
GKG §§ 29, 31; ZPO § 122 Abs. 1; FamGKG §§ 24, 26 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Hanau (Beschluss vom 24.11.2010; Aktenzeichen 61 F 982/09) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Mit ihrer am 3.7.2009 eingegangenen, mit einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe verbundenen Klageschrift machte die Klägerin gegen den von ihr getrennt lebenden beklagten Ehemann rückständige und laufende Kindesunterhaltsansprüche für die beiden bei ihr lebenden gemeinsamen minderjährigen Kinder geltend. Ein Gerichtskostenvorschuss wurde nicht angefordert und nicht geleistet. Nach Eingang der Stellungnahme des Beklagten zum Prozesskostenhilfeantrag bestimmte das AG Termin zur mündlichen Verhandlung, in dem es, nachdem der Beklagte zwischenzeitlich ebenfalls einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt hatte, beiden Parteien unter Beiordnung ihrer jeweiligen Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe ohne Ratenfestsetzung bewilligte. In der Fortsetzungsverhandlung vom 24.3.2010 schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem der Beklagte sich zur Zahlung laufenden Kindesunterhalts für die Zeit ab April 2010 und rückständigen Kindesunterhalts für die Zeit bis einschließlich März 2010 verpflichtete. Unter Ziff. 4 des Vergleichs vereinbarten die Parteien Folgendes: "Die Kosten des Rechtsstreites und des Vergleiches werden gegeneinander aufgehoben." Nach Festsetzung des Streitwertes (7490 EUR) erteilte die Gerichtskasse am 1.6.2010 beiden Parteien unter Zugrundelegung der Nr. 1211 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (GKG) je eine Rechnung über die hälftigen Gerichtskosten i.H.v. 83 EUR und führte hierzu aus: "Für die Gerichtskosten des Vergleichs haften Sie als Übernahmeschuldner gem. § 29 II GKG (Entscheidung OLG Frankfurt 14 W 85/08). Diese Haftung wird durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht ausgeräumt." Auf die Erinnerung des Beklagten hob das AG mit dem angefochtenen Beschluss die Kostenrechnung auf und ordnete an, dass beim Beklagten vorbehaltlich einer Änderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Gerichtskosten nicht zu erheben sind. Zugleich ließ es die Beschwerde zu. Zur Begründung führte das AG aus, dass der Beklagte aufgrund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 122 Abs. 1 Nr. 1a ZPO von der Haftung für die Gerichtskosten vorbehaltlich einer Bedürftigkeitsprüfung befreit sei. Er hafte für die hälftigen Gerichtskosten auch nicht als Übernahmeschuldner gem. § 29 Nr. 2 GKG. Zwar trete die Befreiung nach § 122 Abs. 1 ZPO im Falle einer Kostenübernahme nach § 29 Nr. 2 GKG nicht ein. Der Vergleichstext enthalte aber gar keine Übernahmeerklärung. Der Satz unter Ziff. 4 des Vergleichs besage lediglich, dass eine von § 98 ZPO abweichende Regelung über die Kosten nicht getroffen werden solle, und habe deshalb nur rein deklaratorische Bedeutung. Eine bedürftige Partei dürfe durch Kostennachteile nicht an der Beendigung des Rechtsstreits durch Abschluss eines Prozessvergleichs gehindert werden. Kostenrechtliche Nachteile für sie seien allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sie einen höheren Anteil der Gerichtskosten übernehme, als sie nach der gesetzlichen Regelung tragen müsste. Der Verweis auf die Möglichkeit, eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO herbeizuführen sei nicht überzeugend, da dadurch infolge der vom Gericht zu treffenden Kostenentscheidung höhere Kosten verursacht würden, die die Partei möglicherweise bei Aufhebung der Prozesskostenhilfe tragen müsse.
Mit ihrer Beschwerde besteht die Bezirksrevisorin bei dem LG Hanau darauf, dass ein Fall der Kostenübernahme nach § 29 Nr. 2 Halbs. 2 GKG vorliege und bezieht sich hierzu auf die Beschlüsse. des OLG Zweibrücken vom 2.2.2010 - 4 W 2/10, MDR 2010, 595,. des OLG Saarbrücken vom 29.10.2009 - 6 WF 105/09, AGS 2009, 596,. des OLG Schleswig vom 13.5.2003 - 9 W 21/03, OLGReport Schleswig 2003, 449,. des BGH; Beschl. v. 23.10.2003 - III ZB 11/03, NJW 2004, 366 = FamRZ 2004, 178 = MDR 2004, 295 und. des 25. Zivilsenats des OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.10.2002 - 25 W 70/02, OLGReport Frankfurt 2003, 180.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-Reformgesetz findet das bis zum 31.8.2009 geltende Recht weiter Anwendung, da das Verfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet wurde. Die dementsprechend gem. § 66 Abs. 2 S. 2 GKG zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Der Inanspruchnahme des Beklagten steht § 122 Abs. 1 Nr. 1a ZPO entgegen. Danach darf die Staatskasse vom Beklagten, dem (ratenfreie) Prozesskostenhilfe bewilligt ist, keine Gerichtskosten einziehen. Aus § 29 Nr. 2 GKG, wonach die Kosten (auch) derjenige schuldet, der sie in einem vor Gericht abgeschlossenen Vergleich übernommen hat, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Zwar hat der Beklagte durch den Vergleich vom 24.3.2010 die Hälfte der Gerichts...