Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer Berufungsbeschränkung auf Rechtsfolgenausspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Unwirksamkeit einer Berufungsbeschränkung (Festhaltung an bisheriger Rechtsprechung).
2. Auch ohne eine entsprechende Verfahrensrüge hat das Revisionsgericht zu prüfen, ob ein angefochtenes Berufungsurteil über alle Entscheidungsbestandteile des vorausgegangenen amtsgerichtlichen Urteils befunden hat.
3. Ein bloßes Nichtbefolgen einer vollziehbaren Ausweisungsverfügung durch Verbleiben im Inland erfüllt den Tatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 1b AufenthG nicht, denn die inkriminierte Tathandlung ist das Verbleiben im Bundesgebiet nach einer erneuten Einreise (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) entgegen der Sperrwirkung.
Normenkette
StPO § 318; AufenthG § 11 Abs. 1 S. 1, § 95 Abs. 2 Nr. 1b
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 05.06.2014; Aktenzeichen 5-7 - 3240 Js 250222/13 - Ns 54/14) |
Tenor
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 05.06.2014 im Schuldspruch wegen der Tat vom 26.12.2013 (unerlaubter Aufenthalt) sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
II. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Frankfurt a.M. hat den Angeklagten mit Urteil vom 10.03.2014 wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall, unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet sowie Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt. In der Berufungshauptverhandlung hat er dieses Rechtsmittel mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
Das Landgericht hat die Rechtsmittelbeschränkung als wirksam erachtet und mit Urteil vom 05.06.2014 die Berufung des Angeklagten (im dortigen Rubrum wegen eines offensichtlichen Schreibfehlers als "A" bezeichnet) verworfen.
Gegen dieses Urteil des Landgerichts wendet sich der Angeklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten und ebenso begründeten Revision.
Er erhebt die Sachrüge.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) und hat mit der Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Berufung der Angeklagten war bezüglich der Tat vom 26.12.2013 Ziff. I 1 des landgerichtlichen Urteils nicht wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden.
a) Auch ohne eine entsprechende Verfahrensrüge hat das Revisionsgericht zu prüfen, ob ein angefochtenes Berufungsurteil über alle Entscheidungsbestandteile des vorausgegangenen amtsgerichtlichen Urteils befunden hat. Aus diesem Grund ist vom Revisionsgericht, wenn, wie hier, das Berufungsgericht wegen der vom Berufungsführer erklärten Berufungsbeschränkung (§ 318 StPO) sich nur mit einzelnen Teilen des Ersturteils befasst hat, auch nachzuprüfen, ob und inwieweit die Berufung rechtswirksam auf diese Teile beschränkt ist (stRspr., siehe nur Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl. 2014, § 318 Rn. 33).
Grundsätzlich ist der Rechtsfolgenausspruch allein anfechtbar. Die dem Rechtsmittelberechtigten in § 318 S. 1 StPO eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung gebietet es, den in Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Deshalb kann und darf das Revisionsgericht regelmäßig diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird. Das gilt jedoch nur dann, wenn die Schuldfeststellungen eine ausreichende Grundlage für die Strafzumessung ergeben. Sind sie dagegen so dürftig, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat, zu dem insbesondere der Schuldumfang zählt, nicht einmal in groben Zügen erkennen lassen, so ist eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch stets unwirksam (Paul in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl. 2013, § 318 Rn. 7a m.w.N.). Denn Grundlage für die Strafzumessung ist die Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 S. 1 StGB); die die Schuld bestimmenden Umstände sind daher in der Regel zugleich wesentliche Strafzumessungstatsachen (vgl. § 46 Abs. 2 StGB).
b) Die gegen diese - ständige - Rechtsprechung auch des erkennenden Senats (siehe nur Senat NStZ-RR 2010, 250; erg. OLG Frankfurt - 3. Strafsenat -, NStZ-RR 2010, 250 f. m.w.N.) vorgebrachte Kritik vermag nicht zu überzeugen.
Soweit insbesondere Gössel (in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 318 Rn. 51) meint, die Rechtsprechung zur Unwirksamkeit einer Berufungsbeschränkung wegen fehlerhafter tatsächlicher Feststellungen dürfe die Tendenz erkennen lassen, eine aus der Sicht der Rechtsmittelgerichte unzutreffende rechtliche Würdigung des Tatrichters des von ihm festgestellten Sachverhalts in ...