Entscheidungsstichwort (Thema)
An Erhalt des Pflichtteils anknüpfende Pflichtteilsstrafklausel setzt Mittelabfluss voraus
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 02.05.2022) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die erstinstanzilchen Daten werden aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht mitgeteilt.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stadt1 vom 02.05.2022 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner, die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 3) zu gleichen Teilen. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 750.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die am XX.XX.2020 verstorbene Erblasserin war mit dem vorverstorbenen Vorname1 X verheiratet. Die Beteiligte zu 1) ist ihre Tochter aus einer früheren Ehe. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die Töchter des Vorname1 X aus früheren Ehen.
Am 17.07.2002 errichteten die Eheleute ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament (Bl. 4 d.TA.), in dessen Ziffer 1 sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. In Ziffer 2 des Testaments verfügten sie Folgendes:
"Wir gehen davon aus, dass unsere Kinder keinen Anspruch auf einen Pflichtteil nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils erheben. Nach dem Tod des überlebenden Partners wird das Vermögen unter den Kindern Vorname2, Vorname3 und Vorname4 zu gleichen Teilen aufgeteilt. Ausgenommen ist dabei das Kind, das einen Pflichtteil beansprucht und erhalten hat."
Mit notarieller Urkunde vom 23.03.2021 (Bl. 3 d.A.) hat die Beteiligte zu 1) einen Erbschein beantragt, der sie und die Beteiligte zu 2) als Erbinnen je zu 1/2 ausweist. Hierfür hat sie sich auf das gemeinschaftliche Testament vom 17.07.2002 gestützt und die Auffassung vertreten, dass die Beteiligte zu 3) wegen Geltendmachung ihres Pflichtteils nach dem Versterben ihres Vaters nicht Erbin der Erblasserin geworden sei.
Diesem Erbscheinsantrag ist die Beteiligte zu 3) mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 07.07.2021 (Bl. 19 d.A.) entgegengetreten. Gleichzeitig hat sie einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt, der sie und die Beteiligten zu 1) und 2) als Erbinnen zu gleichen Teilen ausweist. Zur Begründung hat sie angeführt, dass die Pflichtteilsstrafklausel von ihr nicht verwirkt worden und sie daher Miterbin geworden sei. Zwar habe sie nach dem Tod ihres Vaters gegenüber der Erblasserin erklärt, den Pflichtteil geltend machen zu wollen und Auskunft über den Bestand des Nachlasses verlangt. Auch habe die Erblasserin unter dem 04.02.2007 ein Bestandsverzeichnis vorgelegt. In diesem Verzeichnis seien die zum Nachlass gehörenden Immobilien jedoch lediglich mit 216.577,50 Euro in Ansatz gebracht worden, zudem seien zahlreiche Passiva mit Privatdarlehen aufgeführt gewesen, deren Bestehen zweifelhaft gewesen sei. Um Streit mit der Erblasserin zu vermeiden und weil die Beteiligte zu 3) sich seinerzeit in der Examensvorbereitung befunden habe, habe sie darauf verzichtet, den Zweifelsfragen im Einzelnen nachzugehen und weitere Auskunfts- und Zahlungsansprüche zu verfolgen. Sie habe keinerlei Zahlungen erhalten. Insbesondere habe sie keinen Pflichtteil erhalten.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 02.05.2022 (Bl. 87 d.A.) hat das Nachlassgericht die zur Erteilung des von der Beteiligten zu 3) am 07.07.2021 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) und 2) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Kern ausgeführt, dass die Beteiligten Erbinnen aufgrund testamentarischer Erbfolge zu je 1/3 geworden seien. Die Beteiligte zu 3) sei berechtigt, ihr Erbrecht geltend zu machen. Sie sei nicht von der Schlusserbfolge ausgeschlossen, da sie die Sanktionswirkung der Pflichtteilsstrafklausel nicht ausgelöst habe. Die Beteiligte zu 3) habe am 30.01.2007 eine Nachricht an die Erblasserin gesandt, wonach sie ihre mündliche Aussage, ihren Pflichtteil geltend machen zu wollen, bestätigt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe die Beteiligte zu 3) noch keine Kenntnis vom konkreten Umfang des Nachlasses gehabt. Nach Erteilung eines Nachlassverzeichnisses seien keine Auskunfts- oder Zahlungsaufforderungen seitens der Beteiligten zu 3) erfolgt. Vielmehr habe diese erklärt, ihren Pflichtteilsanspruch nicht geltend machen zu wollen. In der Erklärung vom 30.01.2007 sei bereits kein ernsthaftes Verlangen, den Pflichtteil zu beanspruchen, zu sehen. Vielmehr handele es sich um eine bloße Absichtserklärung, die von der Sanktionsbewährung der testamentarischen Klausel nicht erfasst sei. Dies gelte umso mehr, als die Eheleute im Testament zusätzlich den Erhalt des Pflichtteils als Voraussetzung für die Strafbewährung bestimmt hätten. Auf den Umstand, dass der Nachlass ausweislich des Verzeichnisses vom 04.02.2007 negativ gewesen sein soll, komme es schon nicht mehr an. Für die Begründung im Einzelnen wi...