Leitsatz (amtlich)
Fehleinweisungen in ein psychiatrisches Krankenhaus, die auf reinen Rechtsfehlern des Tatrichters beruhen, werden von der Neuregelung des § 67 d VI StGB nicht erfasst.
Verfahrensgang
LG Gießen (Entscheidung vom 08.07.2002; Aktenzeichen 1 StVK 1232/07 K) |
Gründe
Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Gießen vom 8. 7. 2002 wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Vergewaltigung unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts-Jugendschöffengerichts- Groß-Gerau vom 12. 4. 2000 (Az. 35 Ls 10 Js 38897/99) zu einer Jugendstrafe von 8 Jahren verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Anlasstat beging der Verurteilte am 19. 4. 2001, als er sich zum Vollzug einer Jugendstrafe in der JVA O1 befand. Um seine Verlegung in eine andere Anstalt zu erreichen, entschloss er sich, eine junge Bedienstete in den Keller zu locken und sie dort als Geisel zu nehmen. Sie sollte ihm das Büro des Anstaltspfarrers aufschließen, damit er von dort die Anstaltsleitung anrufen und unter Hinweis auf die Geiselnahme die Verlegung erzwingen könnte. Als dieser Plan misslang, fasste der Verurteilte im Zuge eines sich entwickelnden Gerangels den Entschluss, die Bedienstete zu vergewaltigen, was er unter Einsatz brutaler körperlicher Gewalt auch ausführte.
Die Unterbringung nach § 63 StGB wurde seit dem 16. 7. 2002 (Rechtskraft des Urteils) zunächst in der Klinik für forensische Psychiatrie O2 vollzogen. Mit Schreiben vom 26. 9. 2006 teilte die Klinik mit, dass der Verurteilte am 7. 9. 2006 auf eigenen Wunsch in die Klinik für forensische Psychiatrie O3 verlegt worden war. Durch Beschluss des Amtsgerichts Gießen vom 20. 3. 2007 wurde die weitere Vollstreckung der Maßregel gemäß § 85 Abs. 6 JGG an die Staatsanwaltschaft Gießen abgegeben.
Mit Beschluss vom 3. März 2008 hat das Landgericht Gießen die Vollstreckung der Unterbringung sowie der zugleich verhängten Jugendstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt, da von einer unveränderten Gefährlichkeit des Verurteilten auszugehen sei. Eine Erledigungserklärung der Maßregel komme nicht in Betracht. Zwar handele es sich bei der Anordnung der Maßregel eindeutig um eine Fehleinweisung, diese beruhe jedoch nicht auf einer unzutreffenden Tatsachenfeststellung. Das erkennende Gericht habe das Vorliegen einer massiven dissozialen Persönlichkeitsstörung bei dem Verurteilten anhand objektivierbarer Tatsachen zutreffend festgestellt, unzutreffend sei lediglich der darauf aufgebaute Subsumtionsvorgang. Der Zustand des Verurteilten sei bis heute nahezu unverändert. Bei einer Fehleinweisung aus rechtlichen Gründen komme jedoch eine Erledigung nach § 67 d Abs. 6 StGB nach der Rechtsprechung des Senats nicht in Betracht, da dem die Rechtskraft der zu vollstreckenden Entscheidung entgegenstehe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Verurteilte mit der zulässigen sofortigen Beschwerde, der jedoch ein Erfolg zu versagen ist.
Die Strafvollstreckungskammer ist zu Recht von dem Vorliegen einer Fehleinweisung aus rechtlichen Gründen ausgegangen. Nach den Feststellungen des erkennenden Gerichts hat sich der Verurteilte am 19. 4. 2001 während des Frühsports in der JVA O1 entschlossen, eine junge, erst seit dem 1. 4. 2001 in der JVA beschäftigte Bedienstete unter einem Vorwand in den Keller zu locken, sie dort mit Bedrohung durch eine vom Frühstück mitgenommenen Metallgabel als Geisel in seine Gewalt zu bringen und sich dann von ihr das Büro des Pfarrers aufschließen zu lassen, um die Anstaltsleitung von dort anzurufen und mitzuteilen, dass er die Geisel töten werde, wenn man seinen Wunsch auf Verlegung nicht erfüllen werde. Da die Bedienstete keinen Schlüssel für das Büro des Pfarrers hatte und zu fliehen versuchte, brachte er ihr Verletzungen bei, indem er die Gabel an ihren Hals drückte und sie fest würgte. Während des Gerangels erregte sich der Verurteilte sexuell und fasste den Entschluss, sein Opfer zu vergewaltigen, was er auch ausführte. Die Kammer hat zur Schuldfähigkeit des Verurteilten folgendes ausgeführt:
"Der Angeklagte litt zur Tatzeit unter einer dissozialen Persönlichkeitsstörung. Kennzeichen dieser Persönlichkeitsstörung sind die ausgeprägte Selbstbezogenheit, rücksichtsloses Verhalten und instabile Lebensführung, aus der kein Lebensplan ableitbar ist. Die dissoziale Persönlichkeitsstörung äußert sich bei dem Angeklagten insbesondere darin, dass dieser sich zumeist, insbesondere unter dem Einfluss strikter Regeln, ruhig, angepasst und unauffällig verhält. Bietet sich ihm jedoch die Gelegenheit zu Gewaltanwendungen und Ausübung von Macht, eskaliert die Persönlichkeitsstörung und er wird gewalttätig und aggressiv. Im Laufe der körperlichen und sexuellen Heranreifung kam es zu einer deutlichen Zunahme dieser Gewaltbereitschaft und pathologischen Machtausübung. Der Angeklagte kann Verweigerungen von Wünschen nicht akzeptieren und Argumente der Verweigerung nicht nachvollziehen. Nicht seinen Wünschen...