Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der Auslegung einer Regelung in einer Teilungserklärung über ein Zustimmungserfordernis betreffend die Ausübung eines Gewerbes in den Räumen des Sondereigentum.

2. Für die Frage, ob eine Nutzung zu anderen als zu Wohnzwecken die anderen Wohnungseigentümer mehr stört oder beeinträchtigt als eine Nutzung als Wohnung, ist eine typisierende bzw. generalisierende Betrachtung entscheidend. Für diese Betrachtung ist der Gebrauch nach seiner Art und Durchführung zu konkretisieren und auf die örtlichen (Umfeld, Lage im Gebäude) und zeitlichen (etwa Öffnungszeiten) Verhältnisse zu beziehen. Die gebotene typisierende Betrachtungsweise bedeutet nämlich nicht, dass die konkreten Umstände des Einzelfalls für die Beurteilung des Vorliegens einer Mehrbelastung gänzlich außer Betracht zu bleiben haben.

 

Normenkette

WEG §§ 13-14

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 08.07.2003; Aktenzeichen 2/13 T 6/03)

AG Bad Homburg (Aktenzeichen 43 UR II 52/02)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde - an das LG zurückverwiesen.

Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: 25.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligten, die Wohnungs- und Teileigentümer der sich aus dem Rubrum ergebenden Liegenschaft, streiten um die (teilweise) Nutzung der Wohnung der Antragstellerin zur Ausübung ihrer Tätigkeit als ....

Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer im 10. Obergeschoss gelegenen Vierzimmerwohnung mit einer Größe von 89,60 qm, in der sie selbst wohnt. Mit Schreiben vom 21.6.2001 bat sie die Verwalterin um Genehmigung einer Nutzung zweier Zimmer ihrer Wohnung als ... praxis, wobei sie mitteilte, dass im Zuge dieser Nutzungsänderung eine Gästetoilette eingebaut werden müsse. Ferner gab sie an, dass mit Krach und verstärktem Publikumsverkehr nicht zu rechnen sei, da sie nur ein bis zwei Patienten pro Stunde behandeln werde. Wegen des Weiteren Inhalts ihres Schreibens vom 21.6.2001 wird auf Bl. 35 d.A. Bezug genommen. Die Verwalterin, die Beteiligte zu III., erteilte die Genehmigung zur begehrten Nutzungsänderung mit Schreiben vom 25.6.2001 (Bl. 36 d.A.).

Die Teilungserklärung vom 30.11.1979 bestimmt unter § 8 Abs. 3 und 4:

"Die Ausübung eines Gewerbes in den Räumen des Sondereigentums bedarf der Zustimmung des Verwalters.

Versagt der Verwalter die Zustimmung oder erteilt er sie nur unter Bedingungen oder Auflagen, so ist der betreffende Sondereigentümer berechtigt, die Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung zu verlangen. Dasselbe gilt, wenn der Verwalter eine Zustimmung ganz oder teilweise widerruft."

Wegen des Weiteren Inhalts der Teilungserklärung vom 30.11.1979 wird auf Bl. 12 ff. d.A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 28.9.2001 (Bl. 37 d.A.) wandten sich verschiedene Wohnungseigentümer unter Berufung auf einen nicht näher bezeichneten Beschluss an die Verwalterin und beanstandeten die Einrichtung der ...-praxis. Hierauf widerrief die Verwalterin mit Schreiben vom 19.10.2001 (Bl. 42 d.A.) die erteilte Genehmigung. In der Folge stellte die Antragstellerin in der Wohnungseigentümerversammlung vom 24.8.2002 den Antrag, die Nutzung als ...-praxis zu genehmigen. Dieser Antrag wurde unter Tagesordnungspunkt 8 dieser Versammlung mit 2.169,2/9.202 zu 2.097,1/9.202 Miteigentumsanteilen abgelehnt.

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dieser Beschluss entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Sie habe einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigung.

Sie hat vor dem AG beantragt,

1. den von der Eigentümergemeinschaft in der Eigentümerversammlung vom 24.8.2002 zu Tagesordnungspunkt 8 gefassten Negativbeschluss aufzuheben und die Antragsgegner dazu zu verpflichten, der Antragstellerin die Ausübung ihrer Tätigkeit als ... in der in ihrem Eigentum stehenden und im 10. Obergeschoss des Hauses ...-straße ... gelegenen Eigentumswohnung zu gestatten;

2. die Antragsgegner dazu zu verpflichten, der Antragstellerin zu gestatten, sowohl vor dem Haus als auch im Aufzug sowie im Flur des 10. Obergeschosses jeweils ein Hinweisschild anzubringen.

Die Beteiligte zu III. hat keinen Antrag gestellt und sich im Schreiben vom 9.10.2002 der Position der Antragstellerin angeschlossen. Im Laufe des Verfahrens richteten einige Antragsgegner Stellungnahmen zu den Akten, wonach sie keine Einwendungen gegen die ...-praxis hätten, wobei teilweise auf ähnliche Nutzungen im Haus verwiesen wurde. Andere äußerten Bedenken insb. hinsichtlich Intensität und Dauer des Publikumsverkehrs und der damit verbundenen Kosten für die Hausreinigung und den Aufzug.

Durch Beschl. v. 13.12.2002 (Bl. 125 ff. d.A.), auf den verwiesen wird, hat das AG den unter Tagesordnungspunkt 8 gefassten Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 24.8.2002 aufgehoben und die Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin die Ausübung ihrer Tätigkeit als ... in der in ihrem Eigentum stehenden und im 10. Obergeschoss des Hauses ....

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