Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch
Normenkette
GBO § 12 Abs. 1 S. 1; GBV § 46 Abs. 1
Tenor
Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.
Die erstinstanzlichen Daten werden aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht mitgeteilt.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, dem Antragsteller einen Ausdruck des Wohnungsgrundbuchs von Stadt1, Blatt ..., zu erteilen und aus den Grundakten eine Kopie des Kaufvertrags vom 27.12.1999 (UR-Nr. ... des Notars A in Stadt2) zu übermitteln.
Gründe
I. Der Antragsteller ist ein Sohn der am 05.03.2018 verstorbenen Frau Vorname1 Nachname1 (im Folgenden: Erblasserin). Mit notariellem Testament vom 18.04.2000 der Erblasserin und ihres Ehemannes Vorname 2 Nachname1 (UR-Nr. ... des Notars A in Stadt2) hatten sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt. Nach dem Tod des Überlebenden sollte der beiderseitige noch vorhandene Nachlass an ihren Sohn Vorname3 Nachname1 (im Folgenden: Bruder des Antragstellers) fallen.
Die Erblasserin und ihr Ehemann waren Eigentümer von zwei Wohnungen in dem Haus Straße1 in Stadt1, eingetragen im Wohnungsgrundbuch von Stadt1, Bl. ... (Erdgeschoss) und Bl. ... (Obergeschoss). Bereits mit notariellem Kaufvertrag vom 27.12.1999 (UR-Nr. ... des Notars A in Stadt2) hatten die Erblasserin und ihr Ehemann die Wohnung im Obergeschoss an den Bruder des Antragstellers veräußert. Dieser wurde im Mai 2000 als Eigentümer eingetragen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 03.12.2019 begehrte der Antragsteller die Übersendung eines unbeglaubigten Grundbuchauszugs zu der Wohnung im Erdgeschoss und bezüglich "aller sonstigen Grundvermögen im Einzugsbereich des Amtsgerichts Stadt2", bei denen die Erblasserin Eigentümerin war. Sofern sich in den Grundakten Übertragungsverträge von der Erblasserin auf den Bruder des Antragstellers befänden, bat er um Übersendung "entsprechender Kopien".
Mit Schreiben des Amtsgerichts - Grundbuchamt - vom 12.12.2019 erhielt der Antragsteller einen Grundbuchausdruck zu der Wohnung im Erdgeschoss. Hinsichtlich der zweiten Wohnung teilte das Grundbuchamt mit, es könnten keine Kopien übersandt werden, da kein berechtigtes Interesse bestehe. Die Wohnung sei bereits im Jahr 1999 verkauft worden und nicht durch Schenkung übertragen worden.
Der Antragsteller begehrt nunmehr noch die Übersendung eines unbeglaubigten Grundbuchauszugs sowie einer Kopie des Kaufvertrags zu der Wohnung im Obergeschoss. Er meint, da er nach der Erblasserin pflichtteilsberechtigt sei, habe er ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht. Er wolle feststellen, ob der Verkauf der Wohnung eine Teilschenkung der Erblasserin enthalte, der Grundstückswert könne höher sein als der Kaufpreis. Möglicherweise stehe ihm ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu.
Das Amtsgericht - Grundbuchamt - hat mit Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 27.01.2020 (Bl. 6 d.OLG-Hefts) den Antrag auf Erteilung des Grundbuchauszugs und auf Erteilung einer Kopie des Kaufvertrags zurückgewiesen. Auf die Erinnerung des Antragstellers vom 05.02.2020 (Bl. 10 ff. d.OLG-Hefts) hat die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 10.03.2020 (Bl. 13 f. d.OLG-Hefts) den Antrag erneut zurückgewiesen. Da der Vertrag und die Eigentumsumschreibung schon 20 Jahre zurücklägen, dürften Pflichtteilsergänzungsansprüche schon lange nicht mehr gegeben sein, zumal es sich nicht um eine Schenkung, sondern einen Kaufvertrag handele. Es seien auch keine Einschränkungen in Form von Wohnrecht oder Nießbrauch vorbehalten worden.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der durch anwaltlichen Schriftsatz eingelegten Beschwerde vom 17.03.2020 (Bl. 15 ff. d.OLGHefts), der das Amtsgericht mit Beschluss vom 23.03.2020 (Bl. 18 f. d.OLG-Hefts) nicht abgeholfen hat. Er meint, dem Rechtspfleger stehe hinsichtlich der Rechtslage nur ein eingeschränktes Prüfungsrecht zu, er habe nur eine "Evidenzkontrolle" vorzunehmen, auch bei - wie hier - Anträgen auf erweiterte Grundbucheinsicht. Jedenfalls komme es auf Fristen bei einem Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht an, wenn sich der Veräußerer ein Nutzungsrecht vorbehalten habe. Für das Ausgleichungsrecht unter Abkömmlingen nach §§ 2050 ff., 1624, 2316 BGB spielten Fristen ohnehin keine Rolle.
II. Die Beschwerde ist gemäß §§ 71, 73 GBO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Antragsteller hat gemäß §§ 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 131 Abs. 1 Satz 1 GBO Anspruch auf Erteilung eines Grundbuchausdrucks und gemäß § 46 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 GBV Anspruch auf Übermittlung einer Kopie des Kaufvertrags aus den Grundakten.
Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Darüber hinaus ist nach § 46 Abs. 1 GBV auch die Einsicht von Grundakten jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse sowohl hinsichtlich der Einsicht in das Grundbuch wie in den Vertrag vom 27.12.1999 dargelegt.
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