Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätze für die Streitwertfestsetzung im Verfahren des unlauteren Wettbewerbs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Festsetzung des Streitwerts in Verfahren des unlauteren Wettbewerbs folgt der Systematik des § 51 Abs. 2 und 3 GKG.

2. Ausgangspunkt für die Bemessung des Streitwertes ist gemäß § 51 Abs. 2 GKG die Bedeutung der Sache für den Kläger. Damit ist grundsätzlich das sog. "Angreiferinteresse" maßgeblich. "Bedeutung der Sache" ist dabei das wirtschaftliche Interesse des Klägers, das nach objektiven Maßstäben zu bewerten ist. Ein wichtiges Indiz kann insoweit die Streitwertangabe in der Klageschrift sein. Es ist die Gefährlichkeit und Schädlichkeit der Handlung entscheidend, die verboten werden soll.

3. Bei einer pauschalierenden Schätzung sind insbesondere zu berücksichtigen: Unternehmensverhältnisse (Art, Größe, Umsatz und Marktbedeutung des Verletzten und des Verletzers), Art, Intensität, Zielrichtung und Dauer der Verletzungshandlung, insbesondere die Gefährlichkeit für den Wettbewerber oder Verbraucher unter Berücksichtigung der drohenden Schäden sowie der Grad des Verschuldens unter Bewertung auch des nachträglichen Verhaltens.

4. Das Interesse eines Verbandes nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist im Regelfall ebenso zu bewerten wie das eines gewichtigen Mitbewerbers.

5. Der so festgestellte Wert kann nach § 51 Abs. 3 Satz 1 GKG gemindert werden, wenn die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten ist als der nach § 51 Abs. 2 GKG ermittelte Streitwert.

6. Erst wenn sich aus dem Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Wertbemessung entnehmen lassen, ist der Wert nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG mit 1.000 EUR zu bemessen.

7. Bei der Wertermittlung ist gemäß §§ 40 GKG, 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage abzustellen. Daraus folgt aber nicht, dass bei der Bewertung des Interesses allein auf die gegenwärtigen Verhältnisse der Parteien unter Berücksichtigung der bereits begangenen Verletzungshandlung abgestellt werden kann. Ausschlaggebend ist vielmehr das wirtschaftliche Interesse an der Verhinderung der mit weiteren Verstößen verbundenen wirtschaftlichen Nachteile, für die bereits begangene Verletzungshandlungen nur indizielle Bedeutung haben können.

 

Normenkette

GKG § 51

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 15.06.2021; Aktenzeichen 16 O 11/21)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 15.06.2021 wird abgeändert. Der Streitwert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Kläger - ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs - hat gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch aus § 3a UWG i.V.m. § 2 Abs. 1 PAngV geltend gemacht.

Das Landgericht hat den Streitwert auf 1.000 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, in den letzten Jahren habe sich immer mehr bemerkbar gemacht, dass Wettbewerbsvereine Abmahnungen nicht im Interesse eines wettbewerbsrechtlich ausgeglichenen Marktes, sondern ausschließlich im eigenen betrieblichen Interesse verfolgt haben bzw. verfolgten. Hierfür würden oftmals utopisch hohe Streitwertangaben vorgegeben, die durch die obergerichtliche Rechtsprechung häufig bestätigt würden, was zu einer erheblichen Belastung des allgemeinen Wirtschaftsverkehrs geführt habe. Im vorliegenden Fall könne von einer geringen Bedeutung gemäß § 51 Abs. 3 GKG ausgegangen werden, da es sich bei den von der Beklagten angebotenen Produkten um solche handele, die einen Wert von teilweise deutlich unter 50 EUR besäßen.

Der gegen die Streitwertfestsetzung gerichteten Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der diese die Festsetzung auf 3.000 EUR begehren, hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die zulässige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers hat in der Sache Erfolg. Die Streitwertfestsetzung des Landgerichts wird den gesetzlichen Vorgaben der § 51 Abs. 2 und 3 GKG nicht gerecht.

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere fehlt es nicht an der nötigen Beschwer (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 68 Abs. 1 GKG). Die Prozessbevollmächtigten des Klägers, die die Beschwerde ausdrücklich in eigenem Namen eingelegt haben, sind durch eine zu niedrige Streitwertfestsetzung beschwert und haben daher nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG ein eigenes Beschwerderecht.

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das Interesse des Klägers an der Durchsetzung des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsbegehren erscheint mit dem von den Beschwerdeführern begehrten Streitwert von 3.000 EUR richtig bemessen. Die Streitwertfestsetzung des Landgerichts auf einen Wert von 1.000 EUR ist mit § 51 Abs. 2, Abs. 3 GKG nicht vereinbar.

Die Festsetzung des Streitwertes in Verfahren des unlauteren Wettbewerbs folgt der Systematik des § 51 Abs. 2, Abs. 3 GKG.

a) Ausgangspunkt für die Bemessung des Streitwerts ist ("sowei...

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