Entscheidungsstichwort (Thema)

Ladung in den offenen Vollzug

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auf der Grundlage der seit dem 1.11.2010 bestehenden Gesetzeslage kommt in Hessen eine Direkteinweisung in den offenen Vollzug nur nach Maßgabe der §§ 13 I 2 i. V. mit 71 II Nr. 2 HStVollzG, also nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn es bei dem Verurteilten um einen Selbstgesteller (§ 71 II Nr. 2 a HStVollzG), der zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt nicht mehr als zwei Jahren verurteilt wurde (§ 71 II Nr. 2 b HStVollzG), ohne weitere Risikofaktoren (§ 13 II Nr. 2 c i. V. mit § 13 IV und V HStVollzG) handelt. Die früher zu § 10 StVollzG ergangene Rechtsprechung des Senats (insbesondere NStZ-RR 2001, 316; NStZ 2007, 272) ist überholt.

2. Die Entscheidung nach § 71 IV HStVollzG, die unverzüglich nach Inhaftierung des Verurteilten zu treffen ist, obliegt nicht der Staatsanwaltschaft, sondern ausschließlich den Vollzugsanstalten und ist nur im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG zu überprüfen.

 

Normenkette

EGGVG § 23; HStVollzG § 13 Abs. 1 S. 2, § 71 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4; StVollzG §§ 10, 109

 

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird auf Kosten des Verurteilten verworfen.

Der Gegenstandswert wird auf 3.000.- € festgesetzt.

 

Gründe

Der Antragsteller wurde durch Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31.01.2011, rechtskräftig am 31.08.2011, wegen Untreue in 37 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 13.02.2007 und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Mit Verfügung vom 12.06.2012 wurde er in die Justizvollzugsanstalt ... in den geschlossen Vollzug geladen. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung deutete die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main in eine Vorschaltbeschwerde (§ 24 I StVollstrO) um und beschied diese mit Bescheid vom 06.07.2012 abschlägig. Hiergegen richtet sich der form- und fristgelegte Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem der Verurteilte sein Ziel, in den offenen Vollzug geladen zu werden, weiterverfolgt.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedenfalls unbegründet.

Auf der Grundlage der seit dem 1. November 2010 bestehenden Gesetzeslage erfolgt die Unterbringung der Gefangenen regelmäßig nach Maßgabe des geltenden Vollstreckungsplanes vom 27.2.2012 (Runderlass des HMJ 4431/1 - IV/C3 - 2008/2039 - IV/C C www.vollstreckungsplan.hessen.de Buchst. B V 1 a) im geschlossenen Vollzug (§ 13 I 1 i.V. mit § 71 II Nr. 3 HStVollzG). Nur ausnahmsweise kommt eine Direkteinweisung in den offenen Vollzug nach Maßgabe der §§ 13 I 2 i.V. mit 71 II Nr. 2 HStVollzG in Betracht, nämlich dann wenn es sich um einen Selbstgesteller (§ 71 II Nr. 2 Buchst. a) HStVollzG), der zu einer geringeren Freiheitsstrafe von insgesamt nicht mehr als zwei Jahren verurteilt wurde (§ 71 II Nr. 2 b) HStVollzG), ohne weitere Risikofaktoren (§ 13 II Nr. 2 c i.V. mit § 13 IV und V HStVollzG) handelt (Vollstreckungsplan vom 27.02.2012 Buchst. B V 1c; Senat, Beschl. v. 30.11.2011 - 3 VAs 34/11). Die in § 71 II Nr. 2 b) HStVollzG genannte Voraussetzung liegt hier aber nicht vor, so dass eine Direktladung in den offenen Vollzug ausscheidet. Auf diese eindeutige Gesetzeslage hat die Generalstaatsanwaltschaft ihre Entscheidung auch gestützt.

Soweit der Verurteilte zur Begründung seines Begehrens demgegenüber auf § 10 StVollzG und die auf dieser Vorschrift basierende Rechtsprechung des Senats (vgl. insbes. Senat, NStZ-RR 2001, 316) hinweist, wird verkannt, dass diese durch die gesetzliche Neuregelung überholt ist (vgl. Senat, Beschl. v. 30.11.2011 - 3 VAs 34/11). Mit Gesetz vom 28.06.2006 (BGBl I, 2034) wurde die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug auf die Länder übertragen. Das vom Bund erlassene StVollzG galt nach Art. 125a I GG als partikulares Bundesrecht nur solange und soweit fort, als es nicht durch Landesrecht ersetzt wird (vgl. nur Arloth, StVollzG, 3. Aufl., Einl. Rn 6). Eine solche Ersetzung ist, was die Aufnahme von Gefangenen in den offenen Vollzug betrifft, durch die genannten Bestimmungen des HStVollzG erfolgt. § 71 II Nr. 2, 3; IV HStVollzG, die erst im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens eingefügt wurden, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die Rahmenbedingungen für eine direkte Aufnahme in den offenen Vollzug gesetzlich fixieren und zugleich den hierfür bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung tragen (LT-Dr. 18/2380, S. 2 f.). Die Regelung ist von daher erkennbar abschließend und verbietet einen Rückgriff auf § 26 I 1, II StVollstrO.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die erfolgte Regelung bestehen nach Auffassung des Senats nicht. Dass in den Ländern, in denen das Bundesrecht fortgilt, und in Hessen nunmehr eines unterschiedliche Praxis herrscht, ist hinzunehmen und begründet insbesondere keinen Verstoß gegen Art. 3 GG. Dieses Grundrecht gilt nur im Rahmen der bundesstaatlichen Kompetenzordnung, es gewährleistet nicht, dass Länder ihre Gesetzgebungsko...

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