Leitsatz (amtlich)

1. Der Tatrichter ist nicht gehindert Voreintragungen zu verwerten, wenn der neue Verstoß vor Ablauf der 2-jährigen Tilgungsfrist der Voreintragungen (§ 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 StVG) begangen wird, die neue Verurteilung aber erst innerhalb der sich anschließenden einjährigen Überliegefrist (§ 29 Abs. 7 StVG) erfolgt.

2. Die Voreintragungen unterfallen in diesen Fällen keinem Verwertungsverbot.

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 357 Js-OWi 5117/08)

 

Gründe

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 21. April 2008 gegen die Betroffene wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes am 27. September 2007 eine Geldbuße von 135 EUR sowie ein Fahrverbot verhängt.

Als Vorbelastungen hat das Amtsgericht festgestellt, dass gegen die Betroffene am 26. Februar 2004 - rechtkräftig seit 4. März 2004 - ein Bußgeldbescheid wegen innerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung in Höhe von 50 EUR ergangen war, sowie - ebenfalls wegen Geschwindigkeitsüberschreitung - ein Bußgeldbescheid am 19. Januar 2006 - rechtkräftig seit 8. Februar 2006 - in Höhe von 65 EUR.

Das Amtsgericht hat im vorliegenden Verfahren die Erhöhung des Regelsatzes von 125 EUR auf 135 EUR mit diesen Voreintragungen begründet.

Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der Sachrüge, in der sie u.a. die Unverwertbarkeit der Voreintragungen rügt.

Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

I.

Der zulässigen Rechtsbeschwerde der Betroffenen liegt die vom Oberlandesgericht Frankfurt noch nicht abschließend entschiedene Rechtsfrage zu Grunde, ob ein auf die Sachrüge zu beachtendes Verwertungsverbot hinsichtlich von Voreintragungen besteht, wenn der neue Verstoß zwar vor Ablauf der 2-jährigen Tilgungsfrist der Voreintragungen (§ 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 StVG) begangen wird, die neue Verurteilung aber erst innerhalb der sich anschließenden einjährigen Überliegefrist (§ 29 Abs. 7 StVG) erfolgt.

Die Betroffene hat den vorliegenden Rotlichtverstoß am 27. September 2007 und damit vor der am 8. Februar 2008 ablaufenden 2 jährigen Tilgungsfrist der Voreintragungen begangen. Die Entscheidung durch das Amtsgericht erfolgte erst am 21. April 2008 und damit nach Ablauf der regelmäßigen Tilgungsfrist, aber noch innerhalb der sich anschließenden 1 jährigen Überliegefrist, die erst am 8. Februar 2009 abläuft.

Bei dieser Sachlage ist das Amtsgericht nicht gehindert die beiden Voreintragungen bußgelderhöhend zu berücksichtigen. Die Voreintragungen unterliegen keinem auf Sachrüge zu beachtenden Verwertungsverbot (so auch OLG Bamberg ZfSch 2007, 535; entgegen OLG Hamm Beschluß vom 3. Mai 2005, Az. 3 Ss OWi 228/05; NZV 2006, 487; NZV 2007, 156; OLG Schleswig-Holstein ZfSch 2006, 348 - nur im Ergebnis, ohne auf die Rechtsfrage eingehend; OLG Brandenburg DAR 2008, 218).

II.

Nach § 29 Abs. 8 StVG können nur Voreintragungen vorgehalten werden, die noch nicht getilgt sind. Die Tilgungsfrist bei Ordnungswidrigkeiten beträgt gemäß § 29 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 StVG 2 Jahre ab Rechtskraft / Unanfechtbarkeit der Entscheidung. Sind mehrere Entscheidungen eingetragen, verlängert sich diese Frist nach § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG bis für alle Voreintragungen die Tilgungsfähigkeit vorliegt.

Für den Fall, dass eine neue Tat vor Ablauf der Tilgungsfrist der Voreintragungen begangen wird, § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG aber deswegen (zunächst) nicht zur Anwendung kommen kann, weil die Entscheidung über die neue Tat erst nach Ablauf der Tilgungsfrist der Voreintragungen erfolgt, sieht § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG - als Ausnahme - für diese Zwischenphase vor, dass die Tilgungsfrist nach Abs. 1 zunächst gehemmt wird (Ablaufhemmung), allerdings unter der Maßgabe, dass die neue Tat innerhalb einer 1 jährigen Überliegefrist (§ 29 Abs.7 StVG) zu einer weiteren Eintragung führt.

Kommt es innerhalb der 1 jährigen Überliegefrist zu einer erneuten Eintragung, liegen wieder die Voraussetzungen des § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG vor und die Tilgungsfrist verlängert sich für alle Entscheidungen um 2 Jahre.

Sinn und Zweck der Einführung der am 1 Januar 2004 in Kraft getretenen (BTDrucks 15/1508 S. 15) erweiterten Ablaufhemmung von Voreintragungen während der gerichtlichen Entscheidungsphase war die gesetzgeberische Intention, dass von einer Bewährung im Sinne der Verkehrssicherheit bereits dann nicht mehr gesprochen werden kann, wenn eine neue Tat vor Eintritt der Tilgungsreife einer Voreintragung begangen wird. Daher soll eine Ablaufhemmung nicht nur dann eintreten, wenn eine weitere Entscheidung eintragen ist, sondern auch dann, wenn eine weitere Verkehrszuwiderhandlung begangen wurde, die zu einer Eintragung führt (Tatzeitprinzip so ausdrücklich BTDrucks 15/1508 S. 36). Durch die Einführung der maximal 1 jährigen Ablaufhemmung für die Tilgung von Voreintragungen während der gerichtlichen Entscheidungsphase (§ 29 Abs. 6 Satz 2 StVG) soll der anwaltlichen Praxis entgegen gewirkt werden, nur deshalb Rechtsmittel einzulegen, um das Verfahren herauszuzögern, mit dem Ziel, durch den Ablauf der Tilgungsfrist die Tilgu...

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