Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsnatur einer vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Forderung
Leitsatz (amtlich)
Die Rechtsnatur einer Forderung ist nicht deshalb als bürgerlich-rechtlich zu qualifizieren, weil sie vom Insolvenzverwalter gem. § 93 InsO gegen einen persönlich haftenden Gesellschafter geltend gemacht wird.
Normenkette
GVG § 13; InsO § 93; SGG § 51 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Gießen (Beschluss vom 08.11.2013; Aktenzeichen 4 O 407/11) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Gießen vom 8.11.2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Beschwerdewert beträgt 5.536,25 EUR.
Gründe
Die nach § 17a Abs. 4 S. 2 GVG i.V.m. § 572 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Das LG hat den Rechtsweg zu den Zivilgerichten hinsichtlich der Forderungen der X zu den laufenden Nr. 13, 16 und 17 der Tabelle (im Beschlusstenor I Nr. 8, 10 und 11) zu Recht für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit insoweit an die für den Wohnsitz der Beklagten zuständigen Sozialgerichte verwiesen.
Für die Bestimmung des Rechtsweges ist die Natur des Rechtsverhältnisses entscheidend, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 29.10.1987, BGHZ 102, 280, 283). Mit den hier in Rede stehenden Klageforderungen werden Beiträge zur Sozialversicherung geltend gemacht. Streitigkeiten über Beiträge zur Sozialversicherung werden gem. § 51 Abs. 1 SGG im Sozialrechtsweg entschieden. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich insoweit nicht um einen insolvenzrechtlichen Anfechtungsrechtsstreit, der nach ständiger Rechtsprechung des BGH als bürgerlich-rechtlicher Rechtsstreit gem. § 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte gehört (BGH, Beschl. v. 24.3.2011 - XI ZB 36/09, Rz. 5; Beschl. v. 6.12.2012 - IX ZB 89/12, Rz. 6 m.w.N., jeweils juris). Die Anmeldungen der Forderungen zur Insolvenztabelle ergeben, dass es sich um Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Nebenforderungen handelt. An der sich daraus ergebenden Rechtsnatur der Ansprüche ändert nichts dadurch, dass sich in den Forderungsanmeldungen jeweils auch der Begriff "Insolvenzanfechtung" findet. Dieser Umstand dürfte darauf beruhen, dass die X die genannten Beitragszahlungen zunächst von der Schuldnerin erlangte, sie dann aber aufgrund der Insolvenzanfechtung des Klägers zurück gewährte und die Beitragsforderungen mit der Anmeldung zur Insolvenztabelle nun erneut geltend machte. Zu Recht hat das LG darauf hingewiesen, dass dann, wenn der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurückgewährt, seine Forderung gem. § 144 Abs. 1 InsO wieder auflebt.
Die Rechtsnatur der zu beurteilenden Verhältnisse ist auch nicht deshalb als bürgerlich-rechtlich zu qualifizieren, weil der Kläger die Ansprüche gem. § 93 InsO als Prozessstandschafter für die X geltend macht. Denn § 93 InsO ist keine eigenständige Anspruchsgrundlage zugunsten des Insolvenzverwalters. Denn die Gesellschaftsgläubiger - hier die X - bleiben materiell-rechtlich Anspruchsinhaber; der Insolvenzverwalter wird lediglich in treuhänderischer Einziehungsbefugnis als gesetzlicher Prozessstandschafter der einzelnen Gläubiger tätig, so dass der in Anspruch genommene Gesellschafter durch Zahlung an den Insolvenzverwalter konkrete Gläubigerforderungen zum Erlöschen bringt (BGH, Beschl. v. 9.10.2006 - II ZR 193/05, Rz. 9 m.w.N., juris). Demgemäß ändert sich die Rechtsnatur der geltend gemachten Ansprüche nicht, wenn sie der Insolvenzverwalter auf der Grundlage des § 93 InsO als gesetzlicher Prozessstandschafter gegen einen persönlich haftenden Gesellschafter geltend macht.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 ZPO). Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Den Beschwerdewert schätzt der Senat auf ein Drittel des Wertes der Forderungen, auf die sich die Beschwerde bezieht.
Fundstellen
ZIP 2014, 1196 |
NZI 2014, 6 |
ZInsO 2014, 860 |