Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des Elternunterhalts wegen gröblicher Vernachlässigung und schwerer Verfehlungen
Normenkette
BGB §§ 1601, 1611
Verfahrensgang
AG Kassel (Beschluss vom 24.11.2015; Aktenzeichen 520 F 1131/15 UKU) |
Tenor
Die Beteiligten werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen und im schriftlichen Verfahren nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG zu entscheiden.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 22.04.2016.
Gründe
I. Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner aus übergegangenem Recht auf Zahlung von rückständigem und laufendem Elternunterhalt in Anspruch.
Die Antragstellerin erbringt seit dem 10.09.2013 Sozialhilfeaufwendungen für die aufgrund Pflegebedürftigkeit in einem Altenpflegeheim in Stadt1 lebende, im Jahr 193 ... geborene Mutter des Antragsgegners, und zwar Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII, Barbetrag nach § 27b Abs. 2 SGB XII sowie Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII. Die Aufwendungen betragen monatlich insgesamt rund 2100,- EUR, wobei rund 700,- EUR auf Sozialhilfeleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII und rund 1400,- EUR auf Sozialhilfeleistungen nach dem 7. Kapitel des SGB XII entfallen.
Mit Schreiben vom 11.11.2013 wurde der Antragsgegner über die Leistungsgewährung an die Mutter in Kenntnis gesetzt und er wurde zur Auskunft über seine Einkünfte aufgefordert.
Der am ... 195 ... geborene Antragsgegner ist als X beschäftigt und bewohnt eine in seinem Eigentum stehende Immobilie. Er ist hinsichtlich eines Unterhaltsanspruchs der Mutter unter Berücksichtigung seines Selbstbehaltes für das Jahr 2013 i.H.v. 632,- EUR monatlich leistungsfähig, für die Monate Januar bis März 2014 i.H.v. je 637,- EUR, für die Monate April bis Dezember 2014 i.H.v. je 667,- EUR, für die Monate Januar bis November 2015 i.H.v. je 567 EUR und ab Dezember 2015 i.H.v. monatlich 659,- EUR.
Der Antragsgegner hat einen am ... 196 ... geborenen Bruder, der jedoch für Elternunterhalt nicht leistungsfähig ist.
Der Antragsgegner beruft sich gegenüber der Antragstellerin auf Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen gröblicher Vernachlässigung der Unterhaltspflicht und sonstiger schwerer Verfehlung durch seine Mutter.
(Von der Darstellung der nachfolgenden Textpassage wird aus Gründen des Persönlichkeitsrechts der Beteiligten abgesehen - die Red.)
Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten,
1. Unterhaltsleistungen in Höhe von monatlich 585,00 EUR ab Mai 2015 bis einschließlich November 2015 an die Antragstellerin zu zahlen,
2. Unterhaltsleistungen in Höhe von monatlich 659,00 EUR beginnend mit dem Monat Dezember 2015 an die Antragstellerin zu zahlen,
3. rückständigen Unterhalt für den Zeitraum 01.11.2013 bis 30.04.2015 in Höhe von 11.503,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit Rechtshängigkeit (23.04.2015) an die Antragstellerin zu zahlen.
Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Das AG hat mit Beschluss vom 24.11.2015 den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen mit der Begründung, Unterhaltsansprüche der Mutter des Antragsgegners seien gemäß § 1611 BGB weggefallen. Es sei aufgrund der Anhörung des Antragsgegners davon überzeugt, dass die Mutter des Antragsgegners ihre Unterhaltspflicht gegenüber ihren Kindern gröblich vernachlässigt habe, indem sie über einen langen Zeitraum von vier bis fünf Jahren elementare Bedürfnisse der Kinder nach Versorgung mit Nahrung und Hygiene missachtet habe, was auch zu einer sozialen Ausgrenzung der Kinder geführt habe. Darüber hinaus liege nach aus der Anhörung des Antragsgegners gewonnener Überzeugung des Gerichts eine vorsätzliche schwere Verfehlung der Mutter vor, da sie den Sohn sexuell missbraucht habe. Es könne nicht von einer fehlenden Leistungsfähigkeit oder mangelndem Verschulden der Mutter des Antragsgegners wegen psychischer Erkrankung schon im in Frage stehenden Zeitraum bis 19 .../... ausgegangen werden, weil die im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast verpflichtete Antragstellerin hierzu nicht ausreichend substantiiert vorgetragen habe.
Gegen diesen am 11.12.2015 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 08.01.2016 eingegangenen und mit Schriftsatz vom 08.02.2016 begründeten Beschwerde, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Sie ist der Ansicht, das AG habe seiner Entscheidung den bestrittenen Vortrag des für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1611 BGB darlegungs- und beweisbelasteten Antragsgegners nicht ohne Beweiserhebung zugrunde legen dürfen.
Mit Schreiben vom 10.02.2015 wurde die Antragstellerin unter anderem darauf hingewiesen, dass ein Rechtsnachfolger sich nicht auf Nichtwissen berufen kann, wenn der ursprüngliche Anspruchsinhaber dies auch nicht könnte, bei einem unstatthaften Bestreiten mit Nichtwissen gelten daher die behaupteten Tatsachen als unstreitig. Mit Schriftsatz des Antragstellerve...