Entscheidungsstichwort (Thema)
Altfall. Fortdauer. nachträgliche Sicherungsverwahrung. Fortdauer der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66 III StGB in Altfällen
Leitsatz (amtlich)
Die Verhältnismäßigkeit der Fortdauer einer gemäß § 66 III StGB a. F. in einem Altfall nachträglich angeordnete Sicherungsverwahrung ist bereits gewahrt, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person und dem Verhalten des Verurteilten abzuleiten ist; einer hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- und Sexualstraftaten und dem Vorliegen einer psychischen Störung im Sinne des § 1 I Nr. 1 ThUG bedarf es hingegen nicht.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1-2, Art. 20 Abs. 3; EMRK Art. 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1; StGB § 66 Abs. 3, § 67e Abs. 2, § 67d Abs. 2; ThUG § 1 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Marburg (Entscheidung vom 15.07.2011; Aktenzeichen 7 StVK 267/11) |
LG Marburg (Entscheidung vom 15.07.2011; Aktenzeichen 7 StVK 190/11) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten (§ 473 I StPO) verworfen.
Gründe
I. Der Untergebrachte wurde durch Urteil des LG Frankfurt am Main vom 06.02.1992 wegen Mordes in drei Fällen und wegen versuchten Mordes in einem weiteren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Ferner wurde die Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Nach den getroffenen Feststellungen nahm der Untergebrachte am ....10.1988 die damals17-jährige A als Anhalterin mit. Er bog ohne Einwilligung der Geschädigten in einen Feldweg ab, hielt nach einigen 100 m Fahrt auf dem Feldweg das Fahrzeug an, drehte sich zu der Geschädigten hin und würgte sie mit beiden Händen trotz ihrer Gegenwehr bis zum Erstickungstod. Ob es zu sexuellen Handlungen kam, konnte nicht festgestellt werden. Die Kammer stellte aber fest, die Tat sei durch einen inneren sexuellen Drang motiviert gewesen und habe für den Untergebrachten ein sexuell lustvolles Erlebnis dargestellt.
Am ....09.1989 nahm der Untergebrachte Kontakt zur damals 22-jährigen auf dem Straßenstrich tätigen, heroinabhängigen Prostituierten B auf und führte im Einverständnis mit ihr auf dem Beifahrersitz seines Pkws Geschlechtsverkehr mit Kondom aus. Entweder während oder nach dem Geschlechtsverkehr würgte er plötzlich ohne äußeren Anlass die völlig überraschte Geschädigte bis zum Erstickungstod. Es konnte nicht festgestellt werden, ob es vor, während oder nach der Tötung der Handlung zum - durch den Fund eines mit Sperma des Untergebrachten gefüllte Kondom erwiesenen - Samenerguss kam. Auch hier stellte die Kammer fest, dass der Untergebrachte bei Erwürgen der Geschädigten einem sexuell motivierten Drang gefolgt und dass das Geschehen für ihn von lustvollem Erleben gewesen sei.
In der Nacht vom .... auf den ....10.1989 nahm der Untergebrachte die 25-jährige auf dem Straßenstrich tätige Prostituierte C in sein Fahrzeug auf und begann auf einem Parkplatz im Einvernehmen mit ihr mit der Ausübung des Geschlechtsverkehrs. Entweder während oder nach dem Koitus schlang er zwei im Auto mitgeführte Nylon-Strümpfe der Geschädigten um den Hals und tötete das sich wehrende Opfer durch Erdrosseln.
Mit einem weiteren Strumpf fesselte er die Hände der Geschädigten vor dem Bauch. Es fand ein Samenerguss statt, wobei nicht festgestellt werden konnte, ob dieser vor während oder nach der Tötungshandlung stattfand. Das Gesamtgeschehen sei - so die Kammer - ein sexuell lustvolles Erleben und sexuell motiviert gewesen.
Am ....03.1990 vereinbarte der Verurteilte mit der auf den Straßenstrich tätigen 22-jährigen D die Ausübung des Geschlechtsverkehrs gegen Entgelt. Während des Geschlechtsakts auf einem Parkplatz im Auto des Untergebrachten begann er plötzlich und ohne äußeren Anlass die Geschädigte zu würgen. Er beabsichtigte - so die Feststellungen - die Geschädigte zu töten und folgte einem inneren, sexuell motivierten Drang. Durch die heftige Gegenwehr der Geschädigten wurde eine Kollegin von ihr auf das Geschehen aufmerksam, deren Eingreifen und deren lautstarke Mitteilung, sie werde die Polizei alarmieren, veranlassten den Untergebrachten zu Flucht.
Die Kammer stellte fest, der Untergebrachte leide an einer sexuellen Triebdevianz (sexueller Sadismus), zu der er sich jedoch nicht bekenne. Ferner liege eine Hirnschädigung vor, die zu einer gestörten Persönlichkeit des Verurteilten geführt habe. Die Steuerungsfähigkeit sei erheblich eingeschränkt gewesen. Die Kammer hat die Taten mit 10 Jahren, zwei Mal 12 Jahren und 6 Jahren geahndet und hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren gebildet. Die Voraussetzungen des § 63 StGB wie die des § 66 II StGB (damaliger Fassung) lägen vor. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sei aber gegenüber der in der Sicherungsverwahrung vorrangig.
In der Folge wurde zunächst die Unterbringung vollstreckt, sodann nach Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge die Strafe vollständig verbüßt, danach wiederum die Maßregel nach § 63 StGB vollstreckt. Nach Einholung eines externen...