Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewaltschutzverfahren: Verfahrensmangel durch Treffen einer Hauptsacheentscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren

 

Normenkette

FamFG §§ 26, 51 Abs. 3, § 210; GewSchG § 1

 

Verfahrensgang

AG Michelstadt (Beschluss vom 07.06.2023)

 

Tenor

Das vorinstanzliche Aktenzeichen wird aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht mitgeteilt.

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Michelstadt vom 07. Juni 2023 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Michelstadt zurückverwiesen.

Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.

Für das Beschwerdeverfahren werden keine Gerichtskosten erhoben. Im Übrigen wird dem Familiengericht die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner wendet sich gegen eine Gewaltschutzanordnung.

Die Beteiligten sind seit dem XX.XX.2011 verheiratet. Nach wiederholten vorangegangenen Trennungen und Versöhnungen der Beteiligten kam es am 01. Oktober 2022 zur endgültigen Trennung und Auszug der Antragstellerin.

Mit Schriftsatz vom 21. April 2023 begehrte sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem GewSchG. Zur Begründung trug sie vor, dass der Antragsgegner bereits kurz nach der Eheschließung gewalttätig geworden sei. Während des Zusammenlebens sei es immer wieder zu Streitigkeiten gekommen. Nach ihrem ersten Auszug im Februar 2020 habe der Antragsgegner gedroht, er werde sie umbringen. Seit der endgültigen Trennung lauere er ihr annähernd täglich bei ihrem Arbeitsplatz auf und fordere sie auf, nach Hause zu kommen. Er teile ihr mit, er werde sie umbringen, sollte sie die Scheidung einreichen. Des Weiteren schreibe er ihr auch Nachrichten. Sie sei ständigen Belästigungen und Anfeindungen ausgesetzt. Im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 21. April 2023 verwiesen. Die Antragstellerin hat eine eidesstattliche Versicherung vom 26. April 2023 vorgelegt, für deren Inhalt im Einzelnen auf diese verwiesen wird.

Die Antragstellerin hat ursprünglich beantragt,

im Wege der einstweiligen Anordnung im Einzeln bezeichnete Maßnahmen nach § 1 GewSchG anzuordnen.

Der Antragsgegner hat sich nicht eingelassen und ist auch zu dem auf den 10. Mai 2023 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienen. Das Amtsgericht hat in dem Termin die Sache erörtert und die Antragstellerin angehört. Die Antragstellerin stellte im Termin ihren Antrag aus dem Schriftsatz vom 21. April 2023 mit der Maßgabe, dass die Gewaltschutzanordnung nicht im Wege der einstweiligen Anordnung, sondern im Wege einer Hauptsacheanordnung für die Dauer von mindestens einem Jahr ergehen soll. Das Amtsgericht räumte dem Antragsgegner daraufhin eine siebentägige Stellungnahmefrist zum neu gestellten Antrag ein und kündigte eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren an. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und Erörterung wird im Einzelnen auf das Protokoll der Sitzung vom 10. Mai 2023 Bezug genommen.

Mit dem angefochtenen, dem Antragsgegner am 13. Juni 2023 zugestellten Beschluss, hat das Amtsgericht Maßnahmen nach dem GewSchG für die Dauer bis zum 06. Juni 2024 angeordnet. Die Entscheidung ist unter dem Az. ... ergangen. Den Verfahrenswert hat das Amtsgericht auf 2.000,00 EUR festgesetzt. Hinsichtlich der Einzelheiten der amtsgerichtlichen Regelung wird auf den Tenor der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Antragsgegner der Antragstellerin fast täglich nachstelle und sie unzumutbar belästige. Er schreibe ihr manchmal bis zu 20 Nachrichten, obwohl sie bereits 5mal ihre Handynummer gewechselt habe. Nach der Arbeit lauere er ihr häufig auf dem Parkplatz auf, um sie abzupassen. Er springe dabei vor das Auto und beleidige und bedrohe sie durchgehend. Dieser Sachverhalt stehe aufgrund der glaubhaften Schilderungen der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung fest. Der Antragsgegner, der trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienen sei, sei dem nicht entgegengetreten. In der vom Amtsgericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung heißt es, dass die Beschwerde statthaft und binnen einem Monat einzulegen sei. Im Einzelnen wird auf den Beschluss vom 07. Juni 2023 verwiesen.

Mit Schreiben vom 28. Mai 2023, eingegangen bei Gericht am 06. Juni 2023 und vorgelegt am 09. Juni 2023, hat der Antragsgegner ausgeführt, dass die Antragstellerin oft überreagiere, er hingegen ein friedlicher Mensch sei und beide sich gegenseitig sehr beleidigt hätten. Im Einzelnen wird auf das Schreiben Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 07. Juni 2023 hat das Amtsgericht gegen den Antragsgegner ein Ordnungsmittel in Höhe von 300,00 EUR festgesetzt, nachdem dieser trotz ordnungsgemäßer Ladung zu dem Termin vom 10. Mai 2023 nicht erschienen sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 19. Juni 2023, die vor dem Senat z...

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