Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsatz. Rechtsmittelbeschränkung. Rechtsfolge. Bußgeldverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Eine wirksame Rechtsmittelbeschränkung ist bedingungsfeindlich, muss unmissverständlich und widerspruchsfrei sein.

Die Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) ist so untrennbar mit der Rechtsfolge, namentlich bei der Anordnung eines Fahrverbotes, verknüpft, dass sie grundsätzlich nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können.

Eine Rechtsmittelbeschränkung alleine auf Rechtsfolgen ist damit regelmäßig unwirksam, wenn statt der im Bußgeldbescheid angenommenen Fahrlässigkeit, tatsächlich eine vorsätzliche Begehung in Betracht kommt und das Gericht darauf hinweist.

 

Normenkette

OWiG § 67 Abs. 2; StPO §§ 410, 318, 344 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Friedberg (Hessen) (Entscheidung vom 03.11.2015; Aktenzeichen 45 a OWi 205 Js 27255/15)

 

Tenor

  1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Friedberg vom 3. November 2015 wird verworfen, weil die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf das Rechtsbeschwerdevorbringen hin keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat.
  2. Der Betroffene hat die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.
 

Gründe

Ausführungen bedarf es vorliegend nur zu der Frage der Wirksamkeit der Beschränkung des Rechtsmittels nach § 67 Abs. 2 OWiG.

I.

Nach den Feststellungen hat das Regierungspräsidium ... gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 13.07.2015 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb von geschlossenen Ortschaften um 59 km/h eine Geldbuße von 300,- Euro festgesetzt und ein Fahrverbot von 1 Monat angeordnet.

Hiergegen hatte der Betroffene zunächst form- und fristgerecht voll umfänglich Einspruch eingelegt.

Das Gericht wies den Verteidiger und den Betroffenen darauf hin, dass vorliegend eine Verurteilung wegen Vorsatz in Betracht käme. Im Rahmen der Beweisaufnahme wurde durch die Verteidigung die Richtigkeit der Messung bestritten und hierzu Beweisanträge gestellt. Schließlich wurde der Einspruch auf die Rechtsfolgenseite beschränkt. Auf die Frage des Gerichts, weshalb der Einspruch nicht vollständig zurückgenommen werde, wenn doch die Richtigkeit der Messung nunmehr zugestanden werden solle, erklärte die Verteidigerin, dies solle schon noch überprüft werden können. Gründe, die eine geringere Geldbuße oder ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen könnten, hatte sie indes nicht genannt.

Das Amtsgericht hat die Beschränkung des Einspruches vorliegend als unwirksam bewertet und den Betroffenen mit dem angegriffenen Urteil vom 03.11.2015 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 480,- Euro und einem Fahrverbot von 1 Monat verurteilt.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Versagung der Einspruchsbeschränkung rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft ist mit ihrer Zuschrift vom 22.01.2016 der Verteidigung in diesem Punkt beigetreten.

II.

Das Amtsgericht ist zu Recht von einem unbeschränkten Einspruch ausgegangen. Die Einspruchsbeschränkung nach § 67 Abs. 2 OWiG war vorliegend unwirksam.

§ 67 Abs. 2 OWiG entspricht vom Wortlaut den §§ 410, sowie §§ 318, 344 Abs. 1 StPO. Diese Vorschriften dienen allesamt der Strafrechtsbeschleunigung, indem dem Beschuldigten die Möglichkeit eingeräumt wird, seine Rechtsmittel auf die Punkte zu beschränken, die seiner Meinung nach der Erörterung bedürfen, was sich im Ergebnis dann auch in der Kostentragung niederschlägt.

Voraussetzung für eine wirksame Beschränkung ist, da das deutsche Strafrecht vom Grundprinzip der materiellen Wahrheitsermittlung geprägt ist, weshalb z. Bsp. auch Geständnisse auf ihre Richtigkeit überprüft werden müssen, dass zunächst die Erklärung der Beschränkung unmissverständlich und ernst gemeint sein muss. Als Prozesserklärung ist die Beschränkungserklärung darüber hinaus bedingungsfeindlich.

Das Amtsgericht hat zu Recht festgestellt, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben sind. Wenn nach den Feststellungen das zunächst verfolgte Einspruchsziel die Überprüfung der Richtigkeit der Messung ist und nach der erklärten Einspruchsbeschränkung auf die Rechtsfolgen auf Nachfragen des Gerichts dann aber gleichwohl an der Überprüfung der Messung festgehalten wird, ist dieses Vorgehen der Verteidigung widersprüchlich. Denn mit einer wirksamen Einspruchsbeschränkung ist genau das Angriffsziel, nämlich die Überprüfung der Messung auf ihre Richtigkeit im Falle der Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung, der gerichtlichen Prüfung entzogen. Wenn dann das Amtsgericht angesichts dieses rechtlich widersprüchlichen Agierens der Verteidigerin zu Gunsten des Betroffenen das ursprüngliche Angriffsziel, nämlich die Richtigkeit der Messung zu überprüfen, als Ziel des Einspruchs annimmt, zumal hinsichtlich der Rechtsfolgen gerade keine Bedenken geltend gemacht werden, ist die Annahme der Unwirksamkeit des Einspruchsbeschränkungserklärung zwingend. Dieses Vorgehen des Amtsge...

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